Unfertige Orte

Unsichtbar gemacht - Verdrängung von obdachlosen Menschen im öffentlichen Raum | digitaler Spaziergang Abschnitt vier

Das Projekt Unfertige Orte möchte der Verdrängung von obdachlosen Menschen aus dem öffentlichen Raum entgegenwirken. Es ist eine Zusammenarbeit zwischen der Evangelischen Gesellschaft Stuttgart (eva) und Lehrenden und Studierenden der Fakultät für Architektur und Stadtplanung der Universität Stuttgart.

Modell des neugestalteten Innenhofs

Das Projekt nimmt sich einem Phänomen an, das wir in den meisten Städten antreffen: Immer mehr Menschen wollen in zentraler Lage in Städten wohnen, weshalb Stadtteile „verdichtet“ werden. Freie Flächen werden bebaut oder ausschließlich einem bestimmten Zweck gewidmet, z.B. Autoparkplätzen.  Es gibt immer weniger Orte, die zweck- und aneignungsoffen sind und von verschiedenen Menschen auf unterschiedliche Weise genutzt werden können.

Auch das kann dazu führen, dass bestimmte soziale Gruppen, neben Obdachlosen beispielsweise auch Jugendliche, aus diesen Räumen verdrängt werden.

Die Menschen hinter dem Projekt Unfertige Orte wollen zeigen, dass Leute kreativer und aktiver sind, wenn Orte uneindeutig genutzt werden können. Verortet ist das Projekt im zentral gelegenen Stuttgarter Hospitalviertel.

Das Haus der Diakonie in der Büchsenstraße liegt wenige Meter von der Haupteinkaufsstraße entfernt. In dieser von zunehmender Gentrifizierung geprägten Gegend bietet die Evangelische Gesellschaft Stuttgart täglich eine warme Mahlzeit für Obdachlose an. An diesem Ort soll mit dem Projekt nach einer Ästhetik gesucht werden, der es gelingt, dem Ringen um Teilhabe auch architektonisch Ausdruck zu verleihen. Das soll mit der Neugestaltung des Innenhofes geschehen.

Einbezug der Nutzer:innen ins Projekt

Dem Projektteam ist es wichtig, die Nutzer:innen des Ortes in die Neugestaltung miteinzubeziehen. Zusammen mit den Studierenden wurde der Mittagstisch besucht, um die Nutzer:innen über das Projekt zu informieren. Da die Gäste auch in den Bau selbst miteinbezogen werden sollen, wurden mit einigen Freiwilligen einfache Möbel gebaut, um mehr über die Menschen zu erfahren. Aus diesen Treffen sind eine Stuhlgruppe und eine Jurygruppe entstanden, die mit über den weiteren Verlauf entscheiden dürfen.

Zwei Personen bauen einen Tisch
Gemeinsames Möbelbauen

Studierende haben insgesamt fünf Entwürfe gestaltet, wie der neue Raum der eva aussehen könnte. Pia Rühles und Hazel Spankes Entwurf wurde ausgewählt und wird derzeit umgesetzt.

Skizzen des neugestalteten Innenhofs
Skizzen des neugestalteten Innenhofs des Diakoniehauses. Links vor, rechts nach der Umgestaltung

Das ausgewählte Konzept sieht eine filigrane Holzkonstruktion vor, die ein temporäres Bauwerk darstellt. Es soll nichts Festes, Dauerhaftes sein, sondern ein Entwurf, der ohne viel Aufwand verändert und umfunktioniert werden kann. Nach dem Prinzip: Anfertigen zum Weiterbauen.

Ein aneignungsoffener Raum

Ziel dieses Projektes ist, einen Raum zu gestalten, der aneignungsoffen für verschiedene Menschengruppen ist. Deshalb wird das Projekt als erfolgreich betrachtet, wenn es gelingt, verschiedene Menschen mit unterschiedlichen Lebensstilen zusammenzubringen. Vor allem soll es aber den bisherigen Nutzer:innen weiterhin möglich sein, dort ein Zuhause zu finden und nicht an die Stadtränder verdrängt zu werden.

Der Unfertige Ort soll im Sommer 2022 zur Nutzung bereitstehen.


Dieser Artikel ist der zweite Abschnitt des digitalen Spaziergangs "Unsichtbar gemacht - Verdrängung von obdachlosen Menschen im öffentlichen Raum".

Zum ersten Abschnitt: Verdrängung aus dem öffentlichen Raum - Erfahrungsberichte
Zum zweiten Abschnitt: Verdrängung aus dem öffentlichen Raum
Zum dritten Abschnitt: Die Ulmer Nester
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