EU verschiebt Abstimmung über Lieferkettengesetz

Nach der durch die FDP in der Regierungskoalition initiierten Blockade der deutschen Regierung im Rat, findet auch nach dem zweiten Vermittlungsversuch das geplante EU-Lieferkettengesetz keine ausreichende Mehrheit unter den Mitgliedstaaten. Der überraschende Ausstieg der deutschen Regierung aus dem mühsam gefundenen Kompromiss kurz vor der Abstimmung im Rat führte dazu, dass auch andere Regierungen ihre Unterstützung zurückzogen.

Finanzsektor

Ulrike Herrmann schreibt dazu in der taz: „Das Lieferkettengesetz sollte die Menschenrechte und die Umwelt im Globalen Süden schützen. Doch diese Ziele interessieren die deutschen Liberalen nicht mehr. Stattdessen behauptet die FDP, sie müsste ‚kleine und mittelständische Firmen‘ vor allzu viel Bürokratie schützen. Das ist ziemlich gelogen. Denn das EU-Lieferkettengesetz sollte nur für Unternehmen gelten, die mehr als 500 Beschäftigte haben und einen Umsatz von über 150 Mil­lio­nen Euro im Jahr erwirtschaften. Das trifft in Deutschland auf etwa 4.200 Betriebe zu – von rund 3,4 Millionen Firmen. Die FDP spielte sich als Retterin von ‚Tante Emma‘ auf, die aber vom Lieferkettengesetz nie betroffen war.“

Die belgische Ratspräsidentschaft teilte mit: „Trotz der Bemühungen der Präsidentschaft wurde die nötige Unterstützung nicht erreicht. Wir müssen nun den Stand der Dinge prüfen und werden sehen, ob es möglich ist, die von den Mitgliedstaaten vorgebrachten Bedenken in Absprache mit dem Europäischen Parlament auszuräumen.“ Im Dezember war bereits ein Kompromiss zwischen Unterhändlern der beiden Institutionen ausgehandelt worden. Nun ist offen, ob noch einmal neu verhandelt werden muss.


Jetzt erst recht:

Menschenrechte im Finanzsektor stärken

Der Rückschlag für das EU-Lieferkettengesetz im Europäischen Rat hat gezeigt, wie mühsam das Engagement für menschenrechtsbasiertes Wirtschaften sein kann.

Doch wir stecken nicht den Kopf in den Sand, sondern informieren im Online-Seminar am Donnerstag, 07. März 2024, 18 Uhr, wie Menschenrechte speziell im Finanzsektor auf verschiedenen Wegen gestärkt werden können. Wir bieten Ansatzpunkte für Zivilgesellschaft, Verbraucher*innen und engagierten Nachwuchs in der Finanzwirtschaft.

Eine Kooperationsveranstaltung der Heinrich Böll Stiftung Baden-Württemberg und SÜDWIND e.V., unterstützt durch Werkstatt Ökonomie e.V.

Eine Bank investiert in ein Bergbauprojekt, das die Wasserversorgung der örtlichen Bevölkerung gefährdet. Ein Investmentunternehmen ignoriert die Klimakrise und schlägt weiter Gewinne aus der fossilen Energiewirtschaft. Der Finanzsektor ist auf vielfältige Weise mit Menschenrechtsverstößen und Umweltschäden verbunden. Gleichzeitig ist er ein wichtiger Hebel, um Investitionen für nachhaltige Entwicklung zu mobilisieren und schädlichen Wirtschaftsaktivitäten Kapital zu entziehen. Mit der Diskussion um das EU-Lieferkettengesetz wurde die Forderung nach verbindlichen Regeln zur Achtung der Menschenrechte in diesem Sektor lauter. Wie ist das Ergebnis der Verpflichtung des Finanzsektors? Wo finden sich aktuelle Möglichkeiten der politischen Einflussnahme? Wie können sich Verbraucher*innen über Klima- Umwelt oder menschenrechtliche Standards ihrer Geldanlagen informieren und wie können wir sie zum Engagement ermutigen?


Online-Seminar am Do, 7. März, 18-20 Uhr mit Basics, Engagement- und Vernetzungsmöglichkeiten für eine Stärkung der Menschenrechte im Finanzsektor.

Zum Programm

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Basiswissen zu Menschenrechten im Finanzsektor bietet unser Factsheet

1. Factsheet lesen

Der Finanzsektor spielt eine entscheidende Rolle bei der Förderung der Menschenrechte weltweit. Banken, Versicherungen, institutionelle Investoren und Vermögensverwalter können durch ihre finanziellen Entscheidungen erheblichen Einfluss auf die Einhaltung von Menschenrechtsstandards nehmen. Der Text zeigt anhand konkreter Beispiele, wie Finanzaktivitäten wie Kreditvergabe, Wertpapieremissionen, Investitionen und Versicherungsgeschäfte mit Menschenrechtsverletzungen in Verbindung stehen können. Es wird diskutiert, welche Pflichten der Finanzsektor im Rahmen des EU-Lieferkettengesetzes hat und wie wichtig eine nachhaltige Finanzwirtschaft ist, die Menschenrechte und Umweltstandards respektiert. Das Faktenblatt soll das Bewusstsein für die Bedeutung der Menschenrechte im Finanzsektor schärfen und zur Mitgestaltung dieser wichtigen Debatte anregen. Es ist wichtig, dass der Finanzsektor die Menschenrechte respektiert und schützt.

Politisches Online-Fachgespräch

  • In einem Politischen Online-Fachgespräch am 05.02.2024 (12.30-14.45 Uhr) waren parteipolitisch Engagierte und politische Entscheidungsträger*innen geladen, Handlungsmöglichkeiten auf verschiedenen Regulierungsebenen (Land, Bund, EU) kennen zu lernen und mit Expert*innen aus Politik, Verwaltung, Zivilgesellschaft und Wirtschaft zu diskutieren. 

Präsentation von Arnim Emrich, Referatsleiter im Ministerium für Finanzen Baden Württemberg beim Online-Fachgespräch am 5. Februar 2024

Baden-Württemberg führt ein Gesetz für nachhaltige Finanzanlagen ein. Das Ziel ist, die Finanzströme des Landes, landeseigener Unternehmen und solcher, bei denen das Land Mehrheitseigner ist, in Einklang mit globalen Nachhaltigkeitszielen zu bringen. Das Gesetz definiert Nachhaltigkeit als viertes Anlagekriterium neben den bestehenden. Der Geltungsbereich umfasst derzeit Finanzanlagen in Höhe von 17 Milliarden Euro. Es soll Widersprüche zu globalen Nachhaltigkeitszielen vermeiden und Anreize für Investitionen in Nachhaltigkeit und Klimaschutz setzen.

Die Umsetzung umfasst spezifische Strategien für Finanzanlagen in Unternehmen und Staaten. Bei Unternehmen werden drei Instrumente verwendet: Es werden Unternehmen ausgeschlossen, die Einnahmen im Bereich fossiler Energien erzielen oder Umwelt- und Nachhaltigkeitsziele verletzen. Stattdessen werden Unternehmen bevorzugt, die bestimmte Vorgaben zur Reduktion von Treibhausgasemissionen erfüllen. Zudem wird sich dafür eingesetzt, dass börsennotierte Unternehmen nachhaltigere Tätigkeiten ausüben. Staatsanleihen werden anhand internationaler Abkommen auf Wertekongruenz geprüft. Staaten mit kontroversen Aktivitäten oder mangelnder Ratifikation bedeutender Übereinkommen werden ausgeschlossen.

Das Gesetz wurde mit dem Pensionsvermögen umgesetzt, dem größten Anlagevermögen. Es umfasst Maßnahmen wie die Umstellung auf nachhaltige Aktienindizes und den Verkauf nicht konformer Staatsanleihen. Eine Ratingagentur, die externe Nachhaltigkeitsdaten nutzt, gewährleistet eine einheitliche Umsetzung des Gesetzes über das Finanzministerium und betroffene Organisationseinheiten hinweg.