"Freitags gehört Vati mir, montags Mutti": Warum vor allem Frauen von der Vier-Tage-Woche profitieren würden

Kommentar

Die junge Generation hat andere Ansprüche an die Arbeit - und das ist gut so. Denn Arbeit muss anders verteilt werden, damit es in den Familien gerechter zugeht.

Es gibt wohl keine Forderung, über die in den vergangenen Monaten so viel gestritten wurde, wie die Vier-Tage-Woche. Die Gewerkschaften fordern sie, junge Menschen setzen sie in Bewerbungsgesprächen durch, auch ältere Arbeitnehmer sind laut Umfragen davon begeistert. Selbst Unternehmer wie Carsten Maschmeyer sagen voraus, dass sich die Vier-Tage-Woche durchsetzen wird. Überall ist von Arbeitszeitverkürzung die Rede - und das ist gut so.

Und zwar nicht nur für Unternehmen, die Fachkräfte suchen oder junge Menschen, die auf eine Work-Life-Balance pochen. Von der Vier-Tage-Woche würden vor allem Frauen profitieren. Es mag zunächst paradox klingen, aber wenn alle weniger arbeiten, können manche mehr tun.

Jede zweite Frau und nur jeder zehnte Mann arbeitet Teilzeit

Derzeit arbeitet jede zweite Frau in Teilzeit, aber nur jeder zehnte Mann. Vor allem Mütter arbeiten überproportional häufig in Teilzeit - fast zehnmal so häufig wie Männer. Das liegt laut Umfragen vor allem daran, dass Väter nach wie vor weniger Sorgearbeit übernehmen. Die Ergebnisse der Vermächtnis-Studie 2023 zeigen, dass sich weiterhin vor allem Frauen um die Hausarbeit kümmern, die Kinder versorgen und Angehörige pflegen. Denn auch wenn sich der moderne Vater ambitioniert zeigt und vorgibt, die Erziehung der Kinder und die Hausarbeit paritätisch aufteilen zu wollen: Zu wenige setzen dies letztlich im Familienalltag um.

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung ermittelt dazu regelmäßig den sogenannten Gender-Care-Gap, der besonders im mittleren Alter der Menschen groß ist. Nämlich dann, wenn Paare Kinder bekommen. In dieser Zeit leisten Frauen bis zu neun Stunden unbezahlte Sorgearbeit am Tag, Männer etwa drei.

Jedes Jahr am 1. März, dem Equal Care Day, versuchen Frauen darauf aufmerksam zu machen. Doch bisher hat sich nicht viel geändert. Auch wenn Männer heute Elternzeit nehmen und es in manchen Kreisen gern gesehen ist, wenn sie sich die Care-Arbeit hälftig teilen.

Und ja, 43 Prozent der Väter gehen inzwischen nach der Geburt ihres Kindes in Elternzeit, die allermeisten aber nur für zwei Monate.

Das ist natürlich lächerlich wenig, und viele Männer verreisen dann mit ihrem Kleinen oder nutzen die Zeit, um endlich eines der anderen Projekte, das liegen geblieben ist, anzuschieben. Gleichzeitig nehmen fast alle Frauen zehn Monate oder länger Elterngeld. Hier beginnt die Ungleichheit

Frauen tragen die Hauptlast der Care-Arbeit

Bis zur Geburt eines Kindes ist der Gender-Pay-Gap, also die ungleiche Bezahlung von Männern und Frauen, recht gering. Frauen sind zu diesem Zeitpunkt sogar besser ausgebildet und qualifiziert als Männer und schließen ihr Studium oder eine Ausbildung schneller und erfolgreicher ab. Doch einige Jahre später liegt die Lohnlücke zwischen Mann und Frau bei 18 Prozent. Und das vor allem, weil die ganze unsichtbare Arbeit von Müttern gemacht wird – und diese dadurch weniger bezahlt arbeiten.

Der Anteil der teilzeitbeschäftigten Frauen in Deutschland ist mit knapp 50 Prozent einer der höchsten in Europa. Und dies gilt nicht nur zeitlich begrenzt für die ersten Erziehungsjahre, sondern langfristig - auch wenn die Kinder in den Kindergarten und in die Schule gehen. In der Folge werden Frauen abhängig vom Gehalt ihrer Männer, was in vielerlei Hinsicht problematisch ist.

Erstens, weil sie so leicht finanzieller Gewalt ausgesetzt sind. So nennt es die Rechtsanwältin Christiane Warnke, wenn Männer den Umstand ausnutzen, dass ihre Frauen ohne deren Gehalt nicht wirklich leben können.

Zweitens landen Frauen häufig nach Trennungen in Altersarmut und sind trotzdem überarbeitet, weil sie all die Jahrzehnte die Kinder betreut und den Haushalt versorgt haben.

Es gibt also einen Effekt der 4-Tage-Woche, der oft übersehen wird: Es würde nicht unbedingt weniger, aber anders gearbeitet. Die Arbeit würde gerechter verteilt. Die Soziologin Jutta Allmendinger glaubt, dass vor allem Frauen von der 4-Tage-Woche profitieren würden.

Die 4-Tage-Woche verringert Ungleichheiten

Und das aus zwei Gründen: Erstens könnten Frauen in einer solchen Arbeitswelt häufiger ihr Potenzial ausschöpfen und ihre Teilzeitstellen aufstocken. Die Ungleichheit zwischen den Geschlechtern würde geringer werden, denn Frauen könnten mehr verdienen, der Gender-Pay-Gap könnte schwinden. Auch würden in der Folge Frauen häufiger aufsteigen, Karriere machen und in Führungspositionen kommen, wenn sie künftig an vier Tagen in Vollzeit statt wie heute an drei Tagen in Teilzeit arbeiten. Zumindest wäre es für sie einfacher möglich, im Unternehmen sichtbarer zu sein, sich zu beweisen und eine Führungsposition zu übernehmen.

Männer hätten mehr Zeit für die Familie und die Belange ihrer Kinder

Zweitens würde die 4-Tage-Woche dazu führen, dass Männer weniger arbeiten – und damit auch viele Väter. Sie hätten einen zusätzlichen freien Tag und könnten diesen nutzen, um sich mehr in die Familie einzubringen, falls sie das noch nicht tun. Sie könnten die Kinder in die Kita und zu Arztterminen bringen, sie vom Sportverein abholen und nachmittags mit ihnen die Hausaufgaben machen. Laut Befragungen wären viele Männer dazu bereit, einige wünschen sich das sogar, nur setzen sie es in der Realität zu selten um. Das liegt auch daran, dass sie tendenziell mehr arbeiten als ihre Partnerinnen, was sich für eine Familie in Deutschland aufgrund des Ehegattensplittings steuerlich und finanziell immer noch mehr lohnt, als alles gerecht aufzuteilen.

Frauen wünschen sich mehr Erwerbsarbeitszeit, Männer möchten weniger arbeiten

Mit einer 4-Tage-Woche sollte sich das ändern. Dann gäbe es auch keine Ausreden mehr, weshalb sich Väter nicht mehr zu Hause einbringen. Der Slogan der Arbeiterbewegung "Samstags gehört Vati mir" könnte ersetzt werden durch "Freitags gehört Vati mir, montags Mutti". Dasselbe würde für die restliche Care-Arbeit zu Hause gelten. Frauen hätten mehr Zeit, um einer Erwerbsarbeit nachzugehen, während ihre Partner zu Hause die Wäsche waschen, den Müll rausbringen und für die Kinder kochen. Oder, was auch für immer mehr Familien belastend ist, Angehörige pflegen. Denn auch die Pflege der eigenen Eltern oder Großeltern oder von Verwandten mit Beeinträchtigungen wird meistens von Frauen übernommen – unter anderem, weil Männer zu viel arbeiten und ihre Partnerinnen in Teilzeit angestellt sind. Die gesetzliche 4-Tage-Woche für alle könnte das verändern und wäre damit nicht nur sinnvoll, sondern auch zeitgemäß und progressiv.

Das wünschen sich übrigens sowohl Frauen als auch Männer. Laut einer Studie der Bertelsmann Stiftung würden 17 Prozent der Frauen gerne ihre Wochenarbeitszeit erhöhen. Gleichzeitig möchte jeder zweite Mann weniger arbeiten. Mit einer 4-Tage-Woche für beide wäre genau das häufiger möglich.


Literaturtipp: 2024 veröffentlichte David Gutensohn im oekom Verlag das Buch "Generation Anspruch".


Dieser Artikel erschien zuerst hier: www.boell.de