Der Haushalt der Bundesregierung für 2025 ist – angesichts der vielen Aufgaben und Meinungsverschiedenheiten der Regierung – erfreulich vielversprechend. Den großen politischen Aufgaben unserer Zeit wird er trotzdem noch nicht gerecht. Zudem bekommt die Finanzpolitik zunehmend ein Demokratieproblem. Eine Analyse der Situation mit Vorschlägen für die Zukunft.
Mit einem Kabinettsbeschluss hat die Bundesregierung Mitte Juli den Haushaltsplan für das kommende Jahr auf den Weg gebracht. Er enthält viele Kompromisse und noch immer viele Fragezeichen, die sich erst im Herbst, wenn sich der Bundestag mit dem Haushalt befasst, nach und nach auflösen werden.
Wir schauen auf die Prioritäten und Initiativen, die erfolgsversprechend sind, und lenken den Blick nach vorn. Denn im Klein-Klein der Haushaltsplanung darf nicht untergehen, dass es grundlegender und umfassender Reformen bedarf, um uns in Zukunft tragfähige Staatsfinanzen zu erhalten.
(Noch) kein Sparhaushalt
Wie schwerwiegend die Einsparungen im Haushalt 2025 sein würden, darüber war im Vorfeld des Kabinettsbeschlusses viel spekuliert worden – verständlicherweise. Denn einiges hatte sich getan: Im November letzten Jahres hatte ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts die Umwidmung von 60 Milliarden Euro Corona-Hilfen für den Klima- und Transformationsfonds (KTF) für nichtig erklärt, und seitdem sind auch Zinszahlungen und EEG-Kosten gestiegen. Am Ende stehen im Plan nun reale Einsparungen von 3 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Mit dem Auswärtigen Amt und dem BMZ müssen „nur“ zwei Ministerien umfangreich sparen, das allerdings dafür umso heftiger. Hier wird es im parlamentarischen Verfahren sicher noch Diskussions- und Änderungsbedarf geben. Mehrausgaben hingegen sind bei der Rente, für Kinder, bei der Bundeswehr und im Verkehr geplant. Wobei der Verkehr, also mehr Geld für Schienen- und Straßeninfrastruktur, noch auf wackligen Beinen steht (so wird aktuell noch rechtlich geprüft, ob Bahn und Autobahn Darlehen von der Regierung bekommen können).
Das Prinzip der Generationengerechtigkeit fällt ausgerechnet in der Finanzpolitik über Bord.
Insgesamt wurde – für viele überraschend – mit viel Kreativität finanzieller Spielraum geschaffen. Den negativen Stempel des „Rechentricks“ verdienen viele der Maßnahmen allerdings nicht: Die Neuberechnung der Konjunkturkomponente in der Schuldenbremse beispielsweise war wiederholt als sinnvoll und einfach umsetzbar gefordert worden (zum Beispiel hier und hier). Und auch die Art und Weise, wie Zinszahlungen künftig verbucht werden, ist lediglich eine Angleichung an international übliche Praxis. Problematisch ist hingegen, gerade aus demokratietheoretischer Sicht, die „globale Minderausgabe“ des Haushalts 2025. Dieser technische Begriff beschreibt nichts anderes als die Summe aller geplanten Ausgaben, deren Finanzierung noch nicht geklärt ist. Für 2025 steht die globale Minderausgabe bei 17 Mrd. Euro – das ist deutlich mehr als die üblichen 8 Mrd. Euro. Und im Finanzplan für die darauffolgenden Jahre steigt diese Minderausgabe immer weiter an. 2028 liegt sie bei 39 Mrd. Euro – das ist mehr als der aktuelle Gesundheits- und Bildungsetat zusammen.
Damit drückt die Regierung zum einen eine enorme Verantwortung auf ihre Nachfolger*innen – leider eine geübte Praxis, man schaue nur auf den Klimaschutz. Zum anderen schränkt dieser Kompromiss von Heute die Handlungsfähigkeit von Morgen ein. Das Prinzip der Generationengerechtigkeit, das wir mehr und mehr in unsere Demokratie einflechten müssen, fällt damit ausgerechnet in der Finanzpolitik über Bord – und das ironischerweise im Namen der selbst als generationengerecht gepriesenen Schuldenbremse.
Stabilität und Prioritäten haben ihre Kosten
Auf der Haben-Seite stehen im Haushalt 2025 die Demonstration von Stabilität und der nicht zu unterschätzende Wert einer funktionalen, kompromissfähigen Regierung in Zeiten globaler Krisen und nicht selten destruktiver Politik. Dass der Bundeskanzler diesen Punkt an den Anfang seiner Regierungserklärung stellte, leuchtet ein. Und in der Tat ist das Ergebnis wieder einmal besser, als es der Prozess dahin vermuten ließ.
Mit der Wachstumsinitiative und gezielten Mehrausgaben beim Wohnen und in der Verteidigung werden nachvollziehbare Prioritäten gesetzt. Auch die Arbeitsmarktanreize sind wichtig. Besonders die „Genehmigungsfiktion“, also eine vereinfachte Arbeitserlaubnis für Geflüchtete, und die Anschubfinanzierung für Bürgergeldempfänger*innen könnten wirklich helfen.
Diese sinnvollen Maßnahmen wurden mit schmerzhaften Abstrichen in anderen Bereichen erkauft, wie etwa bei der humanitären Hilfe, die aktuell überall in der Welt dringend gebraucht würde – oder auch im selben Bereich wie beim Bürgergeld, dem ehemaligen Kernprojekt der Regierung, das nach und nach verwässert wird. Kritisch anzumerken ist auch, dass die Inflation der vergangenen Jahre nicht nur bei Großunternehmen Spuren hinterlassen hat, sondern vor allem auch im Alltag der Menschen. Dafür scheint wenig Gespür da zu sein. Mehr noch: Es wird ein blinder Fleck im Sozialen deutlich – etwa, wenn eine Maßnahme wie die Verlängerung der degressiven Abschreibung mit Steuererleichterungen vor allem für die Reichsten in unserer Gesellschaft verbunden wird.
Dieser Haushalt ist zu klein für die politischen Aufgaben unserer Zeit.
Es braucht mutige Reformen
Trotz aller guten Einigungen: Dieser Haushalt ist zu klein für die politischen Aufgaben unserer Zeit und das wird sich mit Blick auf die kommenden Haushalte kaum ändern. Daher sehen wir mindestens vier Großprojekte, die unbeliebt, kompliziert und schwerfällig anmuten, aber auf Dauer nicht aufschiebbar sind und den entscheidenden Unterschied machen werden:
- Die Schuldenbremse endlich modernisieren
Eine Begrenzung der Staatsverschuldung ist notwendig und sinnvoll. In ihrer aktuellen Form ist die deutsche Schuldenbremse aber einfach nicht mehr zeitgemäß. Ob durch Anpassung von Grenzwerten, Ausnahmeregelungen für Investitionen oder neue Berechnungsmethoden – es gibt inzwischen zahlreiche fachlich geprüfte Vorschläge für eine Reform. Nicht an Wissen oder Unterstützung mangelt es also, sondern an politischem Willen. Im Frühjahr haben wir dies ausgiebig mit einem ökonomischen Expertenkreis erörtert. Diese Diskussion, die Sie hier nachschauen können, ist noch immer aktuell.
2. EU-Mittel erweitern
Unter dem Eindruck der handelspolitischen Auseinandersetzungen der letzten Jahre ist noch deutlicher geworden, dass Wirtschaftspolitik in einer geopolitisch angespannten Lage ein klar europäisches Feld ist. Die EU muss mit einer Stimme auftreten und innere Differenzen zugunsten ihrer Handlungs- und Wettbewerbsfähigkeit zurückstellen. Das bedeutet auch, dass „die Sparsamen“ und „die Ausgabenfreudigeren“ zusammenfinden müssen. Wie bei allen EU-Reformen kommt Deutschland hier eine Schlüsselrolle zu. Der eigene Haushalt ist längst nicht mehr der einzige Faktor.
In den kommenden Verhandlungen über den mehrjährigen Finanzrahmen der EU muss sich Deutschland entsprechend für eine stärkere finanzielle Ausstattung der EU einsetzen – insbesondere dort, wo es um die Schlüsselherausforderungen der Dekarbonisierung und Wettbewerbsfähigkeit geht. Welche Fragen dabei zu klären und welche Instrumente dafür geeignet sind, darüber kann man diskutieren. Unsere jüngsten Beiträge zu dieser Diskussion sind ein Policy Paper sowie ein Expert*innen-Gespräch mit deutschen, europäischen und internationalen Perspektiven. Auch dieses Gespräch können Sie sich mit Blick auf Europa nach der Wahl nochmals ansehen.
What do we owe the future? Episode II - Heinrich-Böll-Stiftung
Direkt auf YouTube ansehen3. Kommunalfinanzierung reformieren
Nicht erst seitdem die Kommunen in diesem Frühjahr zum wiederholten Mal Alarm geschlagen haben, ist klar: Der Föderalismus in Deutschland ist nicht zukunftsfest. Von grundlegender Infrastruktur wie Straßen und Wassernetzen über Schulen bis hin zur großen Aufgabe der Anpassung an den Klimawandel haben die deutschen Gemeinden alle Hände voll zu tun. Es fehlt an Geld und Personal.
Zur besseren Ausstattung der Kommunen sind schwierige Steuerreformen notwendig und auch über neue Einnahmequellen muss nachgedacht werden. In Zeiten des demografischen Wandels muss sich die Politik auch unbequemen Fragen nach der Neuzuordnung von Verantwortungen stellen. Und schließlich braucht es schlicht und ergreifend eine bessere Kooperation aller Ebenen – auch das ist Bürokratieabbau.
Vor allem aber sollte ein Weckruf sein, dass selbst Politiker*innen der Union mittlerweile eine Gemeinschaftsaufgabe Klimaschutz und Klimaanpassung fordern. Das hat nun oberste Priorität, denn im Kampf gegen den Klimawandel läuft uns die Zeit davon. Wie diese und weitere Baustellen in den Kommunen angegangen werden können, haben wir kürzlich mit denjenigen diskutiert, die genau daran arbeiten: der Bonner Bürgermeisterin Katja Dörner und dem baden-württembergischen Finanzminister Danyal Bayaz. Henrik Scheller vom DIFU ordnete die Lage wissenschaftlich ein – das Gespräch sehen Sie hier in voller Länge.
Was schulden wir der Zukunft? Teil III - Heinrich-Böll-Stiftung
Direkt auf YouTube ansehen4. Das Steuersystem vereinfachen – und auf breitere Basis stellen
Für solide Haushalte müssen wir uns auch mit Steuerreformen beschäftigen. Die Steuerlast der Mittelschicht ist in Deutschland schon heute sehr hoch – einfach nur „Steuern hoch“ ist deswegen ausgeschlossen. „Steuern runter“ kann auch nicht die Lösung sein, denn Tatsache ist: Einkommen werden bei uns sehr stark, Vermögen dagegen sehr schwach besteuert. Die Steuereinnahmen auf eine breitere Basis zu stellen, muss die Aufgabe einer weitsichtigen Finanzpolitik sein. Auch die Vereinfachung hilft. Die Regierung geht hier mit der Abschaffung der Steuerklassen 3 und 5 einen ersten Schritt.
Fairness und Gleichberechtigung müssen auch im Steuersystem abgebildet werden. Dass es bei diesen Themen emotional wird, ist verständlich. Doch sich deswegen vor Reformbedarfen wegzuducken wäre falsch. Um wirklich etwas gegen den Klimawandel und für unsere Sicherheit ausrichten zu können, brauchen wir leistungsfähige Finanzen. Und daran haben alle Bürger*innen – und zwar nach dem Prinzip „starke Schultern können mehr tragen“ – und ein mutiger Staat ihren Anteil.
Dieser Artikel erschien zuerst hier: www.boell.de