Gewinner des Politikkrimipreises 2022 der Heinrich Böll Stiftung Baden-Württemberg

Zwei Männer auf einer Bühne, der eine Mann überreicht dem anderen Mann den Politikkrimipreis 2022 der Heinrich Böll Stiftung Baden-Württemberg im Rahmen der Stuttgarter Kriminächte

Verleihung des Politikkrimipreises 2022 der Heinrich Böll Stiftung Baden-Württemberg

Yassin Musharbash „Russische Botschaften“

Andreas Baumer: Wir als Heinrich Böll Stiftung Baden-Württemberg waren wirklich sehr glücklich über die Entscheidung der Jury, die in ihrer großen Weisheit Ihnen diesen Preis zugesprochen hat. Und ich sage das auch, obwohl Sie in Ihrem letzten Krimi einen Grünen-Bundestagsabgeordneten umgebracht haben - damit können wir leben und die Jury ist ja auch unabhängig. Ich habe es mit einem wahnsinnigen Vergnügen gelesen und deswegen finde ich die Entscheidung der Jury richtig toll, denn das berührt ja Grundfragen, die uns alle bewegen: Wie geht eine demokratische Gesellschaft damit um, wenn ein Land sich dazu entschließt, mit systematischen Desinformation-Kampagnen zu arbeiten? Wenn Lüge, Fake News und Verleumdung zu den normalen Methoden der politischen Kommunikation werden. Das sind Sachen, die uns alle angehen.
Sie werden vermutlich genauso überrascht gewesen sein, dass Ihr Buch, das bei Erscheinen schon hochaktuell war, noch aktueller geworden ist, durch diesen furchtbaren Krieg, der seit fast 6 Wochen tobt und der ja anfing mit Fake News und mit Lügen. Sergej Lawrow, der es fertiggebracht auf einer Friedenskonferenz zu behaupten, dass die Ukraine gerade nicht angegriffen würde.
Wie bilden wir uns eine politische Meinung, wie können politische Entscheidungen begründet und gefällt werden? Wie kann es den zwanglosen Zwang des besseren Arguments geben, wenn überhaupt nicht mehr klar ist, was Wahrheit ist, was gelogen ist? Das berührt das Gemeinwesen und das sind Themen, die uns als politische Stiftung beschäftigen und mit denen wir uns auseinandersetzen. Sei es mit Verschwörungsmythen, Querdenkern, Populisten und Populistinnen; es sind Themen, die wir wichtig finden. Das sind Kräfte, die systematisch damit arbeiten, den Unterschied zwischen Wahrheit und Lüge zu verwischen. Darum muss diese Diskussion geführt werden. Wenn die in einer Form geführt werden kann, dass es auch noch Spaß macht - Literatur ist ja nicht nur Erkenntnisgewinn, Aufklärung - sondern eben auch großes Lesevergnügen, dann umso besser.
Das war eine sehr weise Entscheidung der Jury und ich freue mich wahnsinnig, dass ich Ihnen jetzt, den auch sehr schön gestalteten Preis übergeben darf und wünsche Ihrem Buch viele Leserinnen und Leser. 

Die Begründung der Jury: Dem Autor gelingt es ganz hervorragend das Thema der Fake News mit dem Ziel der politischen Einflussnahme in einer unerwarteten Form darzustellen. Exzellente Recherche, intime Kenntnisse des investigativen Journalismus und aktuelle Ereignisse ergeben einen brisanten und brandaktuellen Thrillercocktail.

Leseprobe


Yassin Musharbash ist stellvertretender Ressortleiter des Ressorts Investigative Recherche und Daten von ZEIT und ZEIT ONLINE. Seine thematischen Schwerpunkte sind seit vielen Jahren insbesondere die Bereiche Terrorismus, Innere Sicherheit und Geheimdienste, Dschihadismus und Islamismus sowie Nahost. Musharbash studierte Politikwissenschaften und Arabistik in Göttingen und Birzeit, nach sieben Jahren bei Spiegel Online wechselte er 2012 zur ZEIT. Yassin Musharbash ist auch Buchautor, zuletzt erschienen von ihm die Polit-Thriller "Radikal" (2011) und "Jenseits" (2017). Zusammen mit den Kolleginnen und Kollegen des Investigativ-Ressorts wurden ihm der "Reporterpreis" und der Nannen-Preis für investigative Recherche verliehen.