Saatgut (4/16)

Podcast

Uns geht es in dieser Folge um die Landwirtschaft – und zwar um den Beginn allen Landwirtschaftens, das Saatgut. Wir haben diesmal zwei spannende Projekte in Niedersachsen besucht: das Dreschflegelhof und Seedforward.

Jutta Sundermann hat sich für die Stiftung Leben & Umwelt / Heinrich-Böll-Stiftung Niedersachsen zum Ursprung pflanzlichen Lebens begeben: dem Saatgut. Sie spricht in dieser Podcast-Folge mit Jens Molter vom Dreschflegelhof und Jacob Paul Rohn von Seedforward über die Vorzüge von Biosaatgut, praktische Tipps für die Erzeugung eigenen Saatguts und bio-ökonomische Ansätze, die zukunftsfähig sind. 

Warum gehören Politik und Saatgut zusammen?

Podcast mit:

  • Jutta Sundermann, Aktivistin und freie Publizistin

  • Jens Molter vom Dreschflegelhof

  • Jacob Paul Rohn von Seedforward

 

Diese Podcastreihe wurde im Rahmen des Verbundprojektes „Wirtschaften mit Zukunft“ konzipiert.

Dieser externe Inhalt erfordert Ihre Zustimmung. Bitte beachten Sie unsere Datenschutzerklärung.

video-thumbnailOpen external content on original site

Shownotes:

Stiftung Leben & Umwelt / Heinrich-Böll-Stiftung Niedersachsen: https://slu-boell.de/de

Dreschflegelhof: https://www.dreschflegel-saatgut.de/hoefe/telgte/

Seedforward: https://seedforward.com/de/ 

 

Transkript:

 

Intro: Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge der Reihe „Böll Regional“, in der wir euch Projekte aus verschiedenen Bundesländern vorstellen. Diese Staffel dreht sich um die Frage nach dem Wirtschaften mit Zukunft. Wir werden dabei Projekte und Unternehmen aus unterschiedlichen Branchen präsentieren, die uns Wege zu einem nachhaltigen Wirtschaften zeigen.

Jutta Sundermann: Moin und Hallo! Ich bin Jutta Sundermann, die Stiftung Leben und Umwelt, das ist die Heinrich-Böll-Stiftung-Niedersachsen, hat mich losgeschickt, spannende Beispiele für Wirtschaften mit Zukunft einzufangen. Mir geht es um die Landwirtschaft – und zwar um den Beginn allen Landwirtschaftens, das Saatgut. Ich habe zwei spannende Projekte besucht und bin neugierig, was Ihr davon haltet.

Neben mir sitzt Jens Molter vom Dreschflegelhof in Schönhagen, im Dreiländereck Thüringen-Niedersachsen-Hessen

 

Es ist Frühling und in Supermärkten und Baumärkten sind überall die Displays voll mit bunten Saatguttüten. Saatgut ist auch das Dreschflegelthema. Aber eures unterscheidet sich doch von dem Saatgut, was ich im Baumarkt kriege? Oder was ist da der Unterschied, was würdest Du sagen?

 

Jens Molter: Da gibt es tatsächlich mehrere Unterschiede.

Da würde ich zuerst sagen: Die Tütchen im Baumarkt sind bunter als ihr Inhalt und bei uns ist vielleicht der Inhalt bunter als die Tütchen. Wir haben tatsächlich einfarbige Tütchen ohne Fotos drauf. Aber drin befindet sich Saatgut zuersteinmal in Bioqualität, ja, wir haben ausschließlich Biosaatgut. Wir haben verschiedenste Arten und Sorten, die Du im Baumarkt nicht bekommen wirst. Wir haben also ein sehr großes Spektrum.

Und wir haben auch viele Dinge, die wir besonders geeignet empfinden für den Anbau im Hausgarten. Mit anderen Eigenschaften, weil die für Dich im Hausgarten vielleicht wichtiger sind als für den Anbau in der Landwirtschaft.

 

Jutta Sundermann: Das Saatgut in die Tütchen bringt Dreschflegel. Zumindest schreibt Ihr Dreschflegel drauf. Wer oder was ist das denn, Dein Laden?

 

Jens Molter: Es ist tatsächlich zum Teil mein Laden. Dreschflegel ist ein Zusammenschluss. Wir bestehen aus 18 Gesellschafter*innen. Wir haben jeweils einen eigenen Gärtner*innenhof zu Hause.

Wir haben verschieden große Gärtnereien und gemeinsam eben diesen Zusammenschluss. Und unter diesem Zusammenschluss Dreschflegel vermarkten wir unser Saatgut.

Das bedeutet, wir haben nen Katalog und man findet uns auch im Internet, wir haben nen Shop, darüber wird dann gemeinsam Saatgut vermarktet.

Zusätzlich haben wir aber noch einen Dreschflegel Verein – und der ist mehr die Basis für unser politisches Arbeiten.

 

Jutta Sundermann: Das heißt, Politik und Saatgut gehören für Euch zusammen?

 

Jens Molter: Politik und Saatgut gehören für uns direkt zusammen, sind eng miteinander verknüpft. Da geht es um kleine Fragen, das heißt: Womit kann ich mich selbst ernähren, womit darf sich ein Mensch selbst ernähren. Was steht einem zur Verfügung, wenn es nur Gemüse aus dem Laden gibt und was steht zur Verfügung, wenn ich es selbst anbaue?

Es geht aber auch um große Fragen der Ernährungssouveränität für im Prinzip der gesamten Menschheit.

 

Jutta Sundermann: Wow, und wir macht Ihr das so? Ihr überlegt, welcher Hof was anbaut?

 

Jens Molter: In der Praxis ist das so: wir haben ein feststehendes Sortiment, fast 800 Sorten im Moment, vom vielfältigsten Gemüsearten. Und die Sorten sind auf die verschiedenen Betriebe aufgeteilt. Das hat sich zum Teil so ergeben, teilweise wird auch mal eine Sorte getauscht, aber in der Regel ist das so ein stabiles Sortiment für jeden Hof.

 

Jutta Sundermann: Also das klingt doch nach einem Erfolgsmodell?

 

Jens Molter: Ja, das finde ich selbst auch. Ich bin manchmal selbst überrascht, wie gut das funktioniert. In einer Gruppe mit so vielen Menschen, in einer heterogenen Gruppe, in Selbstverwaltung, möglichst hierarchiefrei seit über 30 Jahren an diesem Dreschflegel-Konstrukt zu bauen und zu wirken. Und wir haben uns tatsächlich auch deutlich vergrößert in all den Jahren.

 

Jutta Sundermann: Und geht das so weiter. Werdet Ihr immer größer oder Wünscht Ihr Euch Ableger, die dann selber groß werden?

 

Jens Molter: Eher das zweite: Also wir für uns sagen, eine Grenze ist in dieser Größe erreicht. Mehr Menschen erfordern eine andere Art von Organisation und das scheuen wir. Wir freuen uns tatsächlich dann eher, wenn andere Saatgut-Initiativen entstehen. Oder auch Menschen in ihrem Hausgarten selbst Saatgut erzeugen.

 

Jutta Sundermann: Wie geht denn das, kannst Du mal ein Beispiel nennen, wie kriege ich Saatgut in meinem Hausgarten erzeugt?

 

Jens Molter: Es gibt einfache Fälle und es gibt schwierige Fälle. Man sollte bestimmt nicht mit den schwierigsten beginnen. Es ist aber zum Beispiel sehr einfach, wenn ich Stangenbohnen anbaue, zu sagen: Ich ernte an vielen Stangen mein Gemüse und an einer Stange lasse ich die Hülsen ausreifen. Ich schaue, dass da keine kranken Pflanzen waren, dass da vielleicht  keine komischen Flecken drauf waren auf den Hülsen. Und am Ende des Jahres, des Sommers, ernte ich dort reife Samen, die ich wieder im nächsten Jahr aussäen kann.

Wir geben dann auch noch Anleitungen mit auf den Weg. Da gibt es zum Beispiel bei dieser Bohne den Tipp: Wer Saatgut dann, völlig durchgetrocknet, für zwei Wochen einfriert - bei diesen großen Leguminosen - verhindert, dass sich ein gefährlicher Bohnenkäfer eventuell in Deinem Saatgutlager ausbreiten könnte.

 

Jutta Sundermann: Und das macht der Bohne gar nichts aus, dann für zwei Wochen ins Eis zu wandern?

 

Jens Molter: Sie muss dafür komplett durchgetrocknet sein, sie darf nicht viel zu Wasser enthalten,  und dann macht das der Bohne gar nichts.

Jutta Sundermann: Ok! Schon wieder was gelernt, klingt gut. Was sind Dir die wichtigsten Pflanzen auf Deinem Hof?

 

Jens Molter: Mir ans Herz gewachsen sind viele Sorten. Über welche ich mich sehr freue, immer wieder im Anbau, das ist ein Wirsing, den ich habe, der eine Augenweide ist im Herbst.

Paprika, die bei mir im rauhen Klima im Freiland sehr gut gelingen.

Ich freue mich über manche Tomatensorte, die ich habe, aber auch über eine sehr bunte Möhre.

 

Jutta Sundermann: Oh, das macht richtig Lust auf Frühling und auf die Gartensaison.

Ja, damit die Saison gelingt, braucht es für die Hobbygärtnerin die richtige Menge an Sonne und Regen. Ihr denkt aber oft weiter und für Euch braucht es noch einige Sachen mehr. Was wären denn zum Beispiel Dinge, die die Politik einrichten sollte, damit Ihr gut arbeiten könntet?

 

Jens Molter: Da fallen mir spontan zwei Dinge ein:

Zum einen die Möglichkeit zu schaffen, dass alte Sorten, die niemals eine Handelssorte waren, oder die jetzt keine Zulassung haben, dass auch solche in Verkehr gebracht werden dürften.

 

Jutta Sundermann: Das ist so gar nicht erlaubt?

 

Jens Molter: Das ist so nicht erlaubt. Es gibt die Möglichkeit, Sorten die weniger Marktanteil haben, eventuell als Amateursorten zuzulassen. Aber manchen steht das auch nicht offen, weil sie vielleicht zu heterogen sind, zu vielfältig innerhalb einer Sorte selbst.

 

Jutta Sundermann: Und das ist ein Grund dafür, dass Saatgut teilweise gar nicht mehr so vielfältig ist, wie es einmal war?

 

Jens Molter: Das ist sicherlich ein Grund. Das Saatgutverkehrsgesetz regelt das und schließt mit diesen Regeln vielfältige Dinge teilweise aus.

 

Jutta Sundermann: Okay. Du hattest gesagt, zwei Dinge fallen Dir ein. Was gibt es noch, was im Moment aktuell ist?

 

Jens Molter: Ja, das ist tatsächlich sehr aktuell. Im Moment läuft auf der Ebene der EU eine Novellierung des Gentechnikrechtes. Und im Zuge dieser Novellierung befürchten wir, dass neue Gentechnische Verfahren Einzug halten in die Landwirtschaft und sich dann auch unkontrolliert werden ausbreiten können. Unsere Arbeit wäre damit – also unsere Arbeit im Sinne einer

gentechnikfreien Saatgutarbeit - wäre damit eventuell verunmöglicht.

 

Jutta Sundermann: Vielleicht magst Du nochmal zusammenfassend sagen: Wo ist Dreschflegel ein wichtiges Beispiel für Wirtschaften mit Zukunft?

 

Jens Molter: Da fallen mir auch gleich zwei Dinge ein: Zum einen unser Beitrag zur Erhaltung von Sortenvielfalt. Heute heißt das ja gerne Agrobiodiversität.

Und der weitere Aspekt, der mir sehr wichtig ist, und am Herzen liegt, ist die soziale Komponente von Dreschflegel... Wir sind ein selbstverwaltetes Unternehmen ohne formale Geschäftsführung, wir arbeiten mit dem Konsensprinzip bei den Entscheidungen und sind eben sehr gleichberechtigt.

Davon könnte sich aus meiner Sicht die gesamte Wirtschaft oft mehr abschneiden.

 

Jutta Sundermann: Zum Beispiel in Form von bunten Möhrchenscheiben?

Jens Molter: ja, genau!

 

Jutta Sundermann: Bitte bleibt dran!  Folgt mir nach Osnabrück…

Wenn im Märzen der Bauer die Rösslein anspannt – dann sind wir von der Realität der allermeisten Bauernhöfe weit entfernt. Allerdings ist es wie dazumal auch in Zukunft eine wichtige Aufgabe, dem Saatgut zum bestmöglichen Start in der kühlen Erde zu verhelfen.
Dafür wird Saatgut durch viele Unternehmen auf verschiedene Weise aufbereitet, gebeizt, ummantelt, mit Nährstoffen oder auch mit Kunstdünger und Giften ausgestattet.

 

Ich stehe jetzt hier mit Jacob Paul Rohn in Osnabrück bei Seedforward.

Ihr gebt Saatgut ein ganz besonderes Lunchpaket mit auf die Reise. Und da bin ich als allererstes neugierig: Was macht Ihr mit Saatgut, damit es gute Startbedingungen hat?

 

Jacob Paul Rohn: Ja, moin Jutta, danke für die Frage. Wir beschäftigen uns mit biobasierten Saatgutbehandlungen. Das heißt, wir ummanteln das Saatgut mit Substanzen, mindestens 20 verschiedene, die synergistisch zusammenwirken, um die Keimfähigkeit zu verbessern, um die Triebkraft zu verbessern, um alles zu tun, damit das Saatgut sich besser entwickeln kann.

 

Jutta Sundermann: Und – das funktioniert? Was macht Ihr da? Man kann es sich gar nicht so gut vorstellen, wenn man nicht selber mit Saatgut zu tun hat. Erstmal denke ich: Ich ernte Getreide und kann das im nächsten Jahr wieder aussäen. Da macht Ihr aber mehr, oder?

 

Jacob Paul Rohn: Ja genau. Also wir setzen an, an dem Punkt, nachdem das Getreide gereinigt wurde. Nach der Ernte wird es ja im Endeffekt sauber gemacht, sortiert in der passenden Größe und dann wird es klassisch in der Vergangenheit synthetisch-chemisch behandelt, mit Insektiziden oder Funzigden, um vor saatgutbürtigen oder bodenbürtigen Erregern zu schützen. Das ist der ursprüngliche Gedanke.

Und Saatgutbehandlung an sich gibt es aber schon seit tausenden Jahren. Früher wurde zum Beispiel Saatgut einfach in Urin eingelegt. Es gibt bestimmte Ansätze, die durchaus interessant sind.

Heutzutage haben wir aufgrund des GreenDeals und der Einschränkung chemisch-synthetischer Mittel immer weniger Wirkstoffe zur Verfügung. Das heißt, viele Landwirte können ihr Saatgut klassisch nicht mehr so schützen, wie sie es eigentlich gerne tun würden.

Und genau da setzen wir an, wir versuchen biobasiserte Alternativen dafür zu schaffen. Das heißt, wir haben Zusammensetzungen die nicht den Gedanken des Schutzes haben, sondern der Förderung. Das heißt, wir setzen Substanzen ein, die – wie ich vorhin kurz angerissen habe - über einen dünnen Film auf die Körner gebracht werden, auf verschiedene Körner, wie Weizen, Roggen, Gerste oder auch auf den Mais oder auf Gemüse.
Und dieser Film sorgt dann dafür – sobald das Saatgut in den Boden kommt – dass die Keimung verbessert wird, dass die Triebkraft - das heißt die Keimenergie - verbessert wird. Dass das Wurzelwachstum anders gestärkt wird, also wir verbessern die Prozesse, die da stattfinden ganz praktisch. Und dass sich dann nachher plakativ gesagt, eine gesündere Pflanze und ein größeres Wurzelwerk hab. Und das soll sich dann durch die ganze Vegetationsperiode ziehen, dass ich dann im Idealfall weniger Input oder Betriebsmittel in den Bestand reingeben muss.

 

Jutta Sundermann: Und welche Rückmeldungen bekommt Ihr von den Bauern? Funktioniert die Idee?

 

Jacob Paul Rohn: Da bekommen wir eine sehr, sehr positive Rückmeldung. Es ist immer: Wenn ich es sehe, dann glaube ich es. Wir haben als Seedforward ein riesen Versuchswesen. Das heißt, wir arbeiten mit Saatgutzüchtern, mit Handelshäusern, mit Landwirten, mit unterschiedlichen, unabhängigen Versuchsanstellern.

Und das bestätigt uns auf wissenschaftlicher Basis, dass wir gute Ergebnisse generieren. Aber der Landwirt will es trotzdem selber versuchen. Das heißt wir starten in der Regel mit einem Jahr Versuche. Dann macht ein 100 Hektar Betrieb vielleicht 10 Hektar Versuch. Und wenn er das dann sieht, dann haben wir einen Stammkunden gewonnen und dann macht er im Idealfall 50 Hektar auf seinem Betrieb. Und so sehen wir jedes Jahr – gerade an denen, die schon drei, vier Jahre bei uns Mittel beziehen, dass es auch funktioniert in der Praxis.

 

Jutta Sundermann: Es ist ja gar nicht lange her, und immer wieder Prozess, dass bestimmte Mittel auch verboten werden, zum Beispiel, dass man mit den Neonicotinoiden nicht mehr das Rapssaatgut behandeln darf. Wie reagiert dann der Bauer, der das immer so kannte.

Glaubt er dann, dass es mit Euch funktioniert? Habt Ihr den überzeugt gekriegt?

 

Jacob Paul Rohn: (lacht) Das ist auch eine sehr gute Frage. Weil das ist natürlich auch eine der großen Diskussionen, die wir hatten. Als wir 2017 dann in Vollzeit angefangen haben in Osnabrück, haben wir in den ersten Geschäftsplan geschrieben, dass wir daran glauben, dass wir zu 90% im Biobereich aktiv sein würden. Wir sind komischerweise auf über 90% konventioneller Fläche unterwegs mit unseren Produkten. Das zeigt uns so ein bisschen, dass da ein großer Bedarf ist, Nachfolgelösungen zu finden oder auch Sachen auszuprobieren und sich für die Zukunft aufzustellen.

Und genau da wollen wir uns auch positionieren. Als Lösungsbringer, der dem Landwirt einen Mehrwert bringt für die Zukunft.

Jutta Sundermann: Und das ist dann das gleiche Produkt, was ich auch als Biobäuerin benutzen dürfte?

Jacob Paul Rohn: Wir haben immer eine Spezialvariante, die FIBL-gelistet ist, das ist die Bio-Zertifizierung in Deutschland und da gibt es bestimmte Substanzen, die sehr ähnlich sind, aber die dann speziell zugelassen sein müssen, die ein bisschen höherpreisig sind.
Es ist im Prinzip das gleiche Produkt, aber auf dem Papier sind es zwei verschiedene Produkte.

 

Jutta Sundermann: OK… Auf dem Papier oder auf der Buddelmatte. Ich habe diese Planen von einem Quadratmeter hier in Euren Büros gesehen. Erzähl doch nochmal, was Ihr damit macht. Das ist so anschaulich.

 

Jacob Paul Rohn: Also wir haben – geboren aus der eigenen Forschung und Entwicklung. Weil wir festgestellt haben: ich geh in meine Exakt-Versuchsparzelle, wo ich verschiedene Produktvarianten teste, ich kann mir da 200 Quadratmeter Fläche vorstellen, wo dann zehn Parzellen drauf zu sehen sind und wo ich verschiedene – eine unbehandelte Variante, eine mit dem Seedforward Produkt behandelte Variante habe. Und ich steh davor und denke: „Hm, seh ich überhaupt so richtig den Unterschied?“ Und wir haben dann gemerkt:

OK – ich muss buddeln, ich muss mir die Wurzeln anschauen, ich muss Pflanzen nebeneinanderlegen. Und wenn ich das klassisch auf den Boden lege, sehe ich den Unterschied vielleicht gar nicht so richtig und daraus ist die „Buddelmatte“ entstanden, wo wir mit dem Landwirt gemeinsam hingehen können und die Pflanzen ausbuddeln, und das emotionale Thema Boden, was uns ja vorantreibt, wir wollen ja sehen, können wir den Boden positiv beeinflussen. Das kann ich da gemeinsam erleben, das mache ich über die Wurzel, die wir dann anschauen.

 

Jutta Sundermann: Super Idee, und super konkret. Man macht sich die Finger schmutzig und sieht, was herauskommt

Was Ihr in Osnabrück hier macht. Das ist innovativ und es ist Wirtschaften mit Zukunft: Wie würdest Du sagen, warum würdest Du sagen, trifft das vor allem zu?

 

Jacob Paul Rohn: Hm ja. Ich würde sagen, wir sehen uns ja vor allem als Teillösung in einem großen Ganzen, als einen Puzzlestück im Thema Pflanzenbau, im Ackerbau.

Wir setzen da an, wo es eigentlich drauf ankommt, ganz am Anfang beim Saatgut. Das gibt es ja auch viele Diskussionen zu Saatgut und all dem was wir tun müssen, damit wir sicher ernten können in Zukunft und auch ne entsprechend hohe Lebensmittelqualität generieren können. Und

wir setzen eben ganz vorne an mit unserer Saatgutbehandlung. Aber vielleicht ist das auch nicht das Ende von dem, was wir tun wollen.

Wir sind ja losgelaufen und haben damals gesagt, wir wollen mit möglichst wenig Material einen möglichst großen Einfluss auf der Fläche generieren und der Gedanke der Saatgutbehandlung ist eben sehr gut skalierbar an der Stelle.

Was ist sonst innovativ oder zukunftsträchtig daran? Das ist, dass wir das ganze ja biobasiert machen. Wir versuchen im Sinne der Bio-Ökonomie so viel wie möglich an Rohstoffen im Kreislauf zu verwenden. Das heißt, gewisse Reststoffe, die wir verwerten, Pflanzenextrakte, natürlich auch internationale Rohstoffe, die wir beziehen müssen für die Produkte.

Aber der Gedanke ist in Zukunft im Idealfall relativ sogar viel in Deutschland zu produzieren und auch zu beziehen. Und da auch Synergien zu nutzen, zum Beispiel mit Algen produzieren, die ein passenden blauen Farbstoff für uns produzieren können, so dass wir dann den klassischen Farbstoff, den wir aus dem Gestein produzieren, ersetzen können. Das heißt, das sind alles Gedanken, die wir haben für eine Wirtschaft der Zukunft.
Und ich glaube: Ein großer Aspekt, der da reinspielt ist: Wenn wir an den Punkt kommen der Kosteninternalisierung, wenn all die Umweltkosten, die wir im Moment nicht bepreisen, mit eingepreist werden. Das ist jetzt nur eine Hypothese, weil wir die live-cycle-Assesments noch nicht gemacht haben bei uns. Aber ich glaube, dass wir einen sehr positiven Fußabdruck hätten und dem Einsatz unserer Produkte.

 

Jutta Sundermann: Das wäre ein Riesending, es sind ja viel zu viele Unternehmungen unterwegs, die das nicht so machen. Wenn man bei Euch den Flur langgeht, kommt man so richtig einen Walk of fame entlang, eine Urkunde neben der anderen. Ihr seid als Startup vor nicht so langer Zeit gestartet.

Was hat Euch da geholfen, was hat Euch unterstützt?

 

Jacob Paul Rohn: Ganz viel. Viel Erfahrungen. Viel Lehrgeld. Viel mit dem Kopf auch durch die Wand, um das Ganze aber in einem Rahmen und in einem – ja wie sagt man – wie beim Saatgut mit einer schützenden Schicht, in der man sich auch gut entfalten kann ein Stück weit.

Da kann man - wenn ich ein bisschen Werbung für Osnabrück machen darf – eben auch das Ökosystem hier vor Ort hervorheben, wo ganz viel für Startups getan wird, auch gerade für Agrar- und Ernährungsstartups. Wo viele mittelständische Familien-Unternehmen auch in der Region vor Ort sind, die Lust auf Innovation haben, die sich vernetzen, die Türen öffnen, die einem sonst vielleicht gar nicht offenstehen würden.

Und dazu kommt natürlich, dass wir als Biotechnologie-Unternehmen, die sehr forschungslastig sind, haben auch staatliche Forschungsprogramme, die auch gefördert werden mit gewissen Zuschüssen.

Das sind alles Themen, die erforderlich sind, damit ich sowas auch erfolgreich an den Markt bringen kann.

 

Jutta Sundermann: Also, ich habe jetzt ziemlich viel über Saatgut für Gemüse und Getreide erfahren – und zwei ganz verschiedene, ganz spannende Unternehmungen kennenlernen dürfen. Sie machen Saatgut zukunftsbereit – und liefern darüber hinaus Impulse für Wirtschaften mit Zukunft. Ich werde in dem nächsten Monaten noch genauer schauen, was da wächst und blüht – und weiter das Gespräch suchen mit denen, die Saatgut begleiten.

Liebe Grüße aus Niedersachsen, wo sich die Stiftung Leben und Umwelt mit mir freut, wenn die Saat aufgeht.

Outro: Wenn ihr mehr hören wollt, abonniert Böll.Regional in der Podcast App Eurer Wahl, wie beispielsweise Apple Podcast, Spotify oder Soundcloud.  Für Fragen oder Anregungen schreibt uns einfach an podcast@boell.de.


Dieser Artikel erschien zuerst hier: www.petrakellystiftung.de