Die Begründung der Jury: Anne-Klein-Frauenpreis 2024

Ehrung

Die ukrainische Feministin und Frauenrechtsaktivistin Yuliya Sporysh erhält den Anne-Klein-Frauenpreis 2024.

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Die ukrainische Feministin und Frauenrechtsaktivistin Yuliya Sporysh erhält den Anne-Klein-Frauenpreis 2024. Die Soziologin gründete 2019 in Kyiv die Nicht-Regierungs-Organisation „Girls“, zunächst mit dem Ziel, sich für Sexualaufklärung und Prävention geschlechtsspezifischer Gewalt einzusetzen. Mit dem russischen Überfall auf ihr Land haben sich die Aufgaben vervielfältigt – eine Herausforderung, die Yuliya Sporysh bravourös bewältigt.

Begründung der Jury

„Girls“ ist eine der größten und wichtigsten ukrainischen Nichtregierungsorganisationen im Bereich Frauenrechte und Selbstermächtigung, reproduktive Rechte und Gesundheit von Mädchen und Frauen sowie Prävention und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen. Yuliya Sporysh ist ihre Leiterin und Gründerin. Nach dem 24. Februar 2022 ist „Girls“ auch zu einem der größten Akteure geworden, die humanitäre Hilfe für die am stärksten gefährdeten Gruppen - Frauen, Kinder und ältere Menschen – leisten. Und das gilt sowohl für Binnenvertriebene als auch für Menschen, die in der zunächst besetzten Region rund um Kyiv leben – Bucha und Irpin stehen hier stellvertretend für das Grauen, das sich dort ereignet hat.

Heute engagiert sich die NRO in vielfältigen Projekten der humanitären Hilfe zur Unterstützung von Frauen und Kindern in der Ukraine und nutzt dafür Mittel von vielfältigen Gebern, u.a. UNICEF, ActionAid, Help - Hilfe zur Selbsthilfe, Global Fund for Children, Plan International und Terre des hommes. So verfügt sie bspw. über ein großes Team von Psycholog*innen, das sich um die Unterstützung der vom Krieg traumatisierten Kinder, Mädchen und Frauen kümmert, bietet Unterkünfte, sichere Orte für Mädchen und Frauen und Rechtshilfe für sie an. Die Organisation unterstützt auch tatkräftig Überlebende von geschlechtsbasierter Gewalt und arbeitet in dem Netzwerk mit, das die Täter identifizieren und vor Gericht bringen will.

Allein im letzten Jahr konnte „Girls“ 150.000 Menschen an mehr als 120 Standorten in der gesamten Ukraine unterstützen. Während des Krieges hat sich das Team verzehnfacht, und 99 Prozent der Mitarbeitenden sind Frauen, die von „Girls“ auch geschult werden. Die Organisation stellt auch gezielt vertriebene Frauen in ihren Projekten an, um ihnen eine ökonomische Perspektive zu bieten, als Lehrerinnen, Betreuerinnen und Koordinatorinnen. Auch für andere Frauen bietet „Girls“ Englisch-, Computer- und andere Ausbildungskurse an, damit sie ihren Lebensunterhalt und den ihrer Familie bestreiten können.

Die Jury des Anne-Klein-Frauenpreises ist besonders davon beeindruckt, dass Yuliya Sporysh und die Mitglieder der NRO “Girls” selbst in Kriegszeiten daran festhalten, sich für die Sichtbarkeit von Frauen in der Gesellschaft und ihre Führungsrolle einzusetzen und Stereotype zu überwinden. Yuliya wirkt aktiv vernetzend und wertschätzend innerhalb der ukrainischen Frauenbewegung, um andere Frauen, kleinere Nichtregierungsorganisationen und Basisinitiativen zu stärken. So erhöht sie die Sichtbarkeit und die Gestaltungskraft der ukrainischen Frauen insgesamt - und zwar nicht nur durch Wissensaustausch und Mentoring, sondern auch in Form von Partnerschaften und finanzieller Unterstützung ihrer Projekte und Hilfe bei deren Umsetzung.

Aus Sicht der Jury zeichnet sich Yuliya Sporysh darüber hinaus dadurch aus, dass sie sich im festen Glauben an eine bessere Zukunft für eine feministische Nachkriegsordnung der Ukraine und für einen geschlechtersensiblen Ansatz beim Wiederaufbau der Ukraine einsetzt. Sie nimmt regelmäßig an nationalen und internationalen Konferenzen und Veranstaltungen teil, um die Bedeutung der Einbeziehung von Frauen in den Wiederaufbau hervorzuheben (z. B. an der UN Women-Konferenz in New York im März dieses Jahres oder an der Women Deliver-Konferenz in diesem Jahr in Ruanda).

In der Ukraine selbst ist sie Mitglied des Lenkungsausschusses der Plattform der humanitären Nichtregierungsorganisationen. Das Hauptziel der Plattform ist es, die Stimmen der ukrainischen Vertreter*innen der Zivilgesellschaft zu verstärken und Korruption zu verhindern, um sicherzustellen, dass die der Ukraine zugewiesene internationale finanzielle Unterstützung so effizient und gerecht wie möglich verteilt und eingesetzt wird.

Der Jury des Anne-Klein-Frauenpreises gehören an:

Dr. Imme Scholz, Vorstand Heinrich-Böll-Stiftung, Juryvorsitzende

Renate Künast, MdB, Bündnis90/Die Grünen

Sylvia Löhrmann, Staatsministerin a.D.

Prof. Dr. Michaele Schreyer, ehem. Vize-Präsidentin des Netzwerks Europäische Bewegung Deutschland

Jutta Wagner, Rechtsanwältin, ehemalige Präsidentin des Deutschen Juristinnenbundes

Berlin, den 8.12.2023


Kontakt

Ulrike Cichon

E-Mail: cichon@boell.de

Fon: (030) 285 34-112


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