"Das Ländle bleibt deutsch" - Die Identitären im Südwesten

Seit Jahren ist die rechtsextreme Identitäre Bewegung in Baden-Württemberg aktiv. Mit provokanten Aktionen versucht sie, die Debatte um Asyl und Migration zu befeuern. Im Südwesten tragen die Identitären den Namen Reconquista21. Diese Recherche beleuchtet ihre Strukturen und Aktionsformen und legt engmaschige Verflechtungen mit der AfD und der Neonazi-Szene offen.

Rundes Logo auf schwarzem T-Shirt mit weißer Schrift und Grafik: Großes „R“ in der Mitte, umgeben vom kreisförmigen Text „RECONQUISTA21 - RECONQUISTA21“

Einleitung
Identitäre Bewegung | „Unser Land, unser Blut"

„Unser einziges Erbe ist unser Land, unser Blut, unsere Identität“, spricht ein junger Mann in eine Kamera, „wir sind die Erben unseres Schicksals.“ Etliche Männer und Frauen kommen zu Wort. Das Video schwarz-weiß, die Musik theatralisch. Es ist 2012 und die französische Génération Identitaire verbreitet ihre „Déclaration de guerre“ (deutsch: Kriegserklärung) im Netz.1 

Am Ende des Videos erscheint das Symbol der Génération Identitaire: ein gelbes Lambda. Im Film „300“ trugen die Spartaner, die in der Schlacht bei den Thermopylen gegen die Perser kämpften, den griechischen Buchstaben auf ihren Schilden.2 Das Video bekam innerhalb kürzester Zeit hunderttausende Klicks. Wenige Tage später besetzte die Génération Identitaire das Dach einer künftigen Moschee im westfranzösischen Poitiers.3

Die Identitären in Deutschland

Die deutsche Identitäre Bewegung trat im Oktober 2012 mit einer Facebook-Seite an die Öffentlichkeit.4 Kurz darauf störten Identitäre die Eröffnung der Interkulturellen Woche in Frankfurt/Main.5 Mit Guy-Fawkes-Masken und Hardbass-Musik forderten sie: „Multikulti wegbassen“. Sie filmten die Aktion, stellten ein Video ins Netz. Das ist seither das Prinzip der Identitären: Mit spektakulären Aktionen versuchen sie, Aufsehen zu erregen und ihre oft rassistischen Botschaften in die Öffentlichkeit zu tragen.

Rund 15 Identitäre kletterten im August 2016 auf das Brandenburger Tor in Berlin.6 Sie brachten Banner mit dem Schriftzug der Identitären Bewegung und mit der Aufschrift „Sichere Grenzen – Sichere Zukunft“ an. Mit der Aktion gelang ihnen ein Coup – nicht zuletzt, weil TV-Sender und Zeitungen ausgiebig berichteten.7 Im August 2017 charterten Identitäre aus mehreren Ländern ein 40 Meter langes Schiff, um Geflüchtete im Mittelmeer aufzugreifen und an die libysche Küste zurückzubringen.8 Zwar scheiterte die Aktion, dennoch konnten die Identitären innerhalb der rechtsextremen Blase einen Achtungserfolg erzielen.

Die Identitären in den sozialen Netzwerken

Die sozialen Netzwerke sind die Herzkammer der Identitären. Sie nutzen vor allem Instagram, Telegram und X (ehemals Twitter), um Fotos und Videos ihrer Aktionen zu verbreiten. Der Historiker Volker Weiß merkte in seinem Buch „Die autoritäre Revolte“ (2017) an: „Sie bedienen sich moderner Agitationsformen, um damit traditionelle Inhalte zu propagieren.“9 Dem österreichischen Publizisten Alexander Winkler zufolge, versuchen die Identitären, den Rechtsextremismus zu modernisieren.10

Sie werden oftmals der Neuen Rechten zugeordnet, deren Wurzeln in der „Konservativen Revolution“ (Armin Mohler) liegen. Gerne werden Carl Schmitt, Ernst Jünger und Oswald Spengler zitiert. Sie wollen konservativ und rechts sein und betonen, den Nationalsozialismus abzulehnen. Aber die Zuordnung zur Neuen Rechten ist unpräzise, schließlich werden immer wieder Verbindungen zwischen Identitären und der Neonazi-Szene bekannt (mehr in Kapitel 2). Die Identitären sind fester Teil der extremen Rechten.

Die Identitären und der Verfassungsschutz

Aufgrund ihrer Aktionen geriet die Identitäre Bewegung Deutschland, seit 2014 ein Verein mit Sitz in Paderborn, ins Visier des Inlandsgeheimdienstes. Das Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg entschied 2015, die Identitären im Südwesten zu beobachten.11 Das Bundesamt für Verfassungsschutz folgte 2016.12Drei Jahre später gab das Bundesamt bekannt, die Identitären seien kein „rechtsextremistischer Verdachtsfall“ mehr, sondern „gesichert rechtsextremistisch“.  13

Die Identitären klagten, aber das Verwaltungsgericht Köln wies die Klage 2022 ab.14

International nahm der Druck auf die Identitären zu: Mitglieder der Identitären Bewegung Österreich standen 2018 wegen des Verdachts vor Gericht, eine kriminelle Vereinigung gebildet zu haben.15 Zwar blieb der Verdacht unbestätigt, jedoch entschied das österreichische Parlament später, das öffentliche Zeigen des gelben Lambda-Symbols zu verbieten.16 2021 wurde die Génération Identitaire durch das französische Innenministerium verboten.17 Hinzu kam das Deplatforming: Social-Media-Profile der Identitären wurden gelöscht. Martin Sellner, Gründer und Kopf der Identitären Bewegung Österreich, klagte im rechtsextremen Compact-Magazin, die „Repression“ habe „unser europäisches Netzwerk zerrüttet“18.

Die Identitären und ihre Dezentralisierung

Dies veranlasste die Identitären zu einem Strategiewechsel. In seinem Buch „Regime Change von rechts“ (2023) schrieb Sellner: „Statt einer offenen hierarchischen Zentralstruktur ist oft eine dezentrale Aufgliederung in konspirativere, kleinere Regionalgruppen notwendig. Viele kleine organisatorische Einheiten bedeuten, daß [sic!] ein Vernichtungsschlag nicht die Handlungsfähigkeit der gesamten Bewegung zerschlagen kann.“19

Gerade in Deutschland, wo Identitäre seit langem ein Verbot fürchten, war eine Dezentralisierung zu beobachten, gepaart mit Umbenennungen: Aus Regionalgruppen wie Identitäre Bewegung Bayern und Identitäre Bewegung Sachsen wurden Gruppen wie Lederhosen Revolte und Bollwerk Franken, Sachsengarde und Festung Chemnitz.20

Im Südwesten war eine ähnliche Entwicklung festzustellen.21 In der Anfangszeit der Identitären waren die Regionalgruppen Identitäre Bewegung Baden und Identitäre Bewegung Schwaben, die auch das bayerische Schwaben umfasste, dort aktiv (siehe Abbildung 1).22

Text auf gelbem Hintergrund: "Baden-Württemberg ist identitär!" mit dem Wappen von Baden-Württemberg und einem schwarzen Dreieckssymbol.
Abbildung 1: Aus den ersten Monaten der Identitären (2013), Quelle: Screenshot Facebook-Seite „Identitäre Bewegung Schwaben“, 01.04.2025

Die beiden Regionalgruppen hatten zahlreiche Ortsgruppen; Dort wurden „Stammtische“ abgehalten.23 Wenn eine Ortsgruppe einen Infostand machte, wurden Gruppenfotos in den sozialen Netzwerken veröffentlicht. Gesichter der beteiligten Identitären waren unverpixelt.

Früher "Wackre Schwaben", heute "Reconquista21"

Im Sommer 2021 erfolgte die Dezentralisierung: Auf die Identitäre Bewegung Schwaben, die Hauptstruktur in Baden-Württemberg, folgte zunächst das Netzprofil schwaben_bande, später wackre_schwaben.24 Daneben entstanden Profile wie aktiv.konstanz, festung_ulm und pforzheim_revolte. Das Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg rechnet die Pforzheim Revolte inzwischen der Neonazi-Szene zu.25 Am Beispiel des Südwestens ist zu sehen, dass die Dezentralisierung mit der Entscheidung einherging, fortan konspirativer und intransparenter zu agieren: Nun wurden die meisten Gesichter bei Aktionen unkenntlich gemacht (Vermummung/Verpixelung).

Am 25. Oktober 2023 folgte eine weitere Umbenennung: Aus den Wackren Schwaben wurde Reconquista21 (siehe Abbildung 2).26 Reconquista21 ist die zentrale Struktur der Identitären im Südwesten. Daher soll die Struktur im Folgenden näher betrachtet werden. Dabei wird auf einige Personen der ersten und zweiten Reihe sowie auf Aktionsformen eingegangen – vom Bannerhissen bis zum Wandern. Für diese Betrachtung wurden insbesondere Social-Media-Profile und -Kanäle ausgewertet.

 

Schwarz-weißes Bild eines Protestes mit einem Mann, der in ein Megafon spricht. Text: "Neuer Name: R21 Reconquista21. Eine Jugend, ein Jahrhundert, eine letzte Chance."
Abbildung 2: Die Umbenennung der Identitären im Südwesten (2023), Quelle: Screenshot Telegram-Kanal „Reconquista21“, 01.04.2025


KAPITEL 1
Identitäre Bewegung | Die Ideologie

Die Identitären aus Deutschland und Österreich starteten 2015 eine Kampagne mit dem Titel „Der Große Austausch“.27 Sie führten Demonstrationen durch, hissten Banner und streuten Flugblätter. Für die Kampagne lieferte der französische Publizist Renaud Camus mit seinem Buch „La Grand Remplacement“ (2012) die ideologische Grundlage. Das Buch, im Selbstverlag erschienen, beinhaltet eine Auswahl seiner Texte und Reden. Der rechtsextreme Verlag Antaios um Götz Kubitschek brachte 2016 eine deutschsprachige Variante mit dem Titel „Revolte gegen den Großen Austausch“ heraus. Camus definiert, der „Große Austausch“ (auch: „Bevölkerungsaustausch“) sei der „Austausch eines Volkes“ durch „ein anderes Volk oder mehrere andere Völker“.   28 Er behauptet, per „Masseneinwanderung“ strebe der Islam die „Eroberung“ und „Kolonisation“ des europäischen Kontinents an,29 mehr noch: die „Auflösung der Völker und der Zivilisation“.30 Entsprechend fordert Camus die „Befreiung des gesamten Kontinents“.31

"Bevölkerungsaustausch" und Rechtsterror

Die Angst, das eigene Volk sterbe aus, sei ein „altes und häufig mobilisiertes Motiv im radikalen Nationalismus“ und gehöre „seit jeher zum Kernarsenal völkischer Degenerations- und Untergangsszenarien,32 schreiben Gideon Botsch und Christoph Kopke in ihrem Buch „‚Umvolkung‘ und ‚Volkstod‘. Zur Kontinuität einer extrem rechten Paranoia“ (2019). Die beiden Professoren weisen auf die „antisemitische Tradition“33 des Motivs hin. Sie erklären, die Behauptung, dunkle, geheime Mächte – die oft mit judenfeindlichen Stereotypen beschrieben werden – würden den „Volkstod“ planen und steuern, macht den „Großen Austausch“ zu einem antisemitischen Verschwörungsmythos. Gerne werden diese Mächte als „globalistische Eliten“ oder „linksliberale Globalisten“ bezeichnet.34 Insbesondere George Soros wird seit Jahren unterstellt, er steuere die Migration nach Europa. Soros, ein US-amerikanischer Multimilliardär, der mit seinen Open Society Foundations eine liberale Gesellschaft fördert, ist nicht zuletzt aufgrund seiner jüdischen Wurzeln ein Feindbild der extremen Rechten.

Der Mythos vom „Großen Austausch“ erzeugt Handlungsdruck: Wer überzeugt ist, eine Elite wolle die Völker zerstören, wird aktiv. Manche greifen zu Bannern und Flugblättern, manche zu Waffen. Brenton Tarrant beging 2019 einen Terroranschlag auf zwei Moscheen in Christchurch (Neuseeland). Der Rechtsterrorist erschoss 51 Menschen. Seinem 74-seitigen Pamphlet, in dem er klagte, die Einwanderung sei eine „Invasion“ und ein „weißer Genozid“, gab er den Titel „The Great Replacement“.35 Tarrant sympathisierte mit den Identitären: Er spendete mehr als 7.000 Euro an die Identitären in Europa.36 Alleine Sellner, mit dem Tarrant per Mail in Kontakt stand, erhielt 1.500 Euro.37 Auch der Rechtsterrorist Stephan Ernst, der 2019 den Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke aufgrund dessen humaner Asylpolitik erschoss, sympathisierte mit den Identitären. Auf seinem Computer wurden Spuren zu Videos von Sellner und zur Webseite der deutschen Identitären entdeckt.38 Bis zur Ermordung Lübckes hatte Ernst „immer wieder“ und „auf verschiedene Spendenkonten“39 insgesamt 300 Euro an die Identitären gespendet.

"Ethnopluralismus" und Rassismus

Im Rahmen ihrer Kampagne „Der Große Austausch“ postulierten die Identitären den „Ethnopluralismus“. Der wissenschaftlich anmutende Begriff bezeichnet die Überzeugung, jedes Volk habe einen (biologistisch, historisch) bestimmten Raum und eine bestimmte Identität und Kultur. Die „Vermischung“ der homogenen Völker erzeuge Konflikte und Kriege. Beispielsweise wird im „Großen Austausch“ eine „langsame, auf Jahrzehnte angelegte ethnische Säuberung“40 im Sinne eines Völkermords gesehen. Daher wird eine „Re-Homogenisierung“41 der Völker gefordert. Das bedeutet: Italien den Italienern, Frankreich den Franzosen und Deutschland den Deutschen. Der „Ethnopluralismus“ ist eine „modernisierte Form des Rassismus“42. Denn der Begriff „Rasse“, der aufgrund der NS-Rassenlehre in großen Teilen der Gesellschaft verpönt ist, wird lediglich durch die Begriffe „Identität“ und „Kultur“ ersetzt.43 Zwar heißt es, der „Ethnopluralismus“ lehne eine Hierarchisierung zwischen einzelnen Völkern ab.44 Denn jedes Volk sei einzigartig und habe ein Selbstbestimmungsrecht.45 Aber im Diskurs der Identitären ist eine deutliche Hierarchisierung gegenüber islamisch geprägten Völkern zu beobachten.

"Metapolitik" und Machtstreben

Für den „Ethnopluralismus“ und gegen den „Bevölkerungsaustausch“ propagieren die Identitären eine erfolgreiche „Metapolitik“. Hierfür lieferte der französische Publizist Alain de Benoist mit seinem Buch „Kulturrevolution von rechts“, das bereits in den 1960er-Jahren erschien, die Vorlage. 1985 folgte eine deutschsprachige Variante, 2017 brachte der rechtsextreme Jungeuropa Verlag um Philip Stein eine Neuauflage heraus. De Benoist erklärt in dem Buch, es sei „keine Übernahme der politischen Macht möglich ohne eine vorhergehende Übernahme der kulturellen Macht“.46 Mit dem Gedanken, zunächst die Diskurshegemonie in der Gesellschaft erringen zu müssen, greift er auf die Theorien des italienischen Marxisten Antonio Gramsci (1891–1937) zurück.47 Gramsci, der jahrelang ein politischer Gefangener des faschistischen Mussolini-Regimes war, begründete die Theorie der „kulturellen Hegemonie“ in seinen „Gefängnisheften“.

Thor von Waldstein, einst NPD-Kandidat und Anwalt des Holocaustleugners Fred Leuchter und heute einflussreicher Redner in der Neuen Rechten,48 veröffentlichte 2015 den Band „Metapolitik. Theorie – Lage – Aktion“ im rechtsextremen Verlag Antaios. Er begreift „Metapolitik“ als „kulturelle Macht des Staates“.49 Sprich: als Fähigkeit, in der Bevölkerungsmehrheit ein Fundament geistiger Werte zu schaffen, das staatliches Handeln ermöglicht und stützt. Er schreibt, der Boden müsse „metapolitisch gesät“ werden, um „politisch geerntet“ werden zu können.50 Für eine erfolgreiche Metapolitik sei dreierlei nötig: „Mut zur Setzung eigener Themen“, „Kampf um die Sprache“, „Mut zur Provokation“.51 Ist der Kampf um die Begriffe, Ideen und Theorien gewonnen, sei die „kulturelle Hegemonie“ – die „Lufthoheit über die Köpfe und Herzen der Menschen“52 – erlangt.

"Reconquista" und Blutvergießen

Einer dieser Begriffe lautet „Reconquista“. Ein historischer Begriff, der „Rückeroberung“ bedeutet und die christliche Verdrängung der muslimischen Herrschaft auf der Iberischen Halbinsel zwischen den Jahren 711 und 1492 bezeichnet.53 Die Reconquista bedeutete Blutvergießen, unzählige Menschen starben im Kampf um die Herrschaft (siehe Abbildung 3)

Historische Schlachtenszene mit Rittern und Soldaten in mittelalterlicher Kleidung, die sich in einer großen Schlacht gegenüberstehen. Im Hintergrund sind Berge und ein Lager zu sehen.
Abbildung 3: Gemälde von Francisco van Halen (1864) zur Schlacht bei Las Navas de Tolosa (1212)

Aus der Reconquista leiten die Identitären ihren Auftrag ab. Zum Namen „Reconquista21“ teilten die südwestdeutschen Identitären mit, er „spiegelt ganz konkret unser Ziel wider: Die Reconquista im 21. Jahrhundert“.54 Das Bundeslager 2024 der Identitären Bewegung Deutschland trug das Motto „Reconquista“. Im Netz erklärten die Identitären:

„Über sieben Jahrhunderte kämpften ganze Generationen junger Männer, vereint in ihrer Herkunft und ihrer Überzeugung gegen eine zu Beginn überwältigende Übermacht immer in dem Glauben an ihren Sieg und den Sinn ihrer Sache. Genau aus diesem Grund ist die Reconquista ein Mythos der Identitären Bewegung seit ihrer Gründung. Die Reconquista mahnt uns zur Tat, zur Rückeroberung unserer Städte, unseres Landes, unseres Kontinents.“55

Die Identitären sehen offenbar – allen Ernstes – Parallelen zwischen der damaligen und der gegenwärtigen Lage.

"Remigration" und Vertreibung

Ein weiterer Begriff lautet „Remigration“. Er bedeutet „Rückwanderung“ und den Plan, Millionen eingewanderter Menschen aus Deutschland zu verdrängen und zu vertreiben – darunter Menschen, die in Deutschland integriert sind und die deutsche Staatsbürgerschaft besitzen. Der Begriff erlangte einen gewissen Bekanntheitsgrad, nachdem Correctiv im Januar 2024 ein Geheimtreffen in Potsdam öffentlich gemacht hatte.56 Im Rahmen des Treffens hatte Martin Sellner über sein Projekt einer millionenfachen „Remigration“ referiert. Über die Correctiv-Recherche behauptete Sellner, sie sei eine „geschickte Inszenierung“57 gewesen. Seither ist in der extremen Rechten eine Normalisierung des Begriffs festzustellen: Die Identitäre Bewegung Deutschland startete im Februar 2024 die Kampagne „Remigration jetzt!“    58, die Junge Alternative Deutschland wünschte im Oktober 2024 einen „fröhlichen Remigrationstag“59 (siehe Abbildung 4) und die AfD platzierte den Begriff in ihrem Wahlprogramm zur Bundestagswahl 2025.60

Flugzeug im Steigflug vor dunkelblauem Hintergrund mit aufsteigenden Pfeilen. In der Mitte der Schriftzug: „Fröhlicher Remigrationstag“. Unten stilisierte Wolken mit einem spitzen, flammenförmigen Symbol.
Abbildung 4, Quelle: Screenshot Telegram-Kanal „Junge Alternative Deutschland“, 01.04.2025

Im Zuge der Debatte um die Correctiv-Recherche veröffentlichte Sellner das Buch „Remigration“ im rechtsextremen Verlag Antaios. Er schlägt eine „identitäre Migrationspolitik“61 vor, in deren Mittelpunkt die Forderung nach Assimilation steht. Der Begriff, der aus der politischen Soziologie stammt, bedeutet „Angleichung“.  62 Sellner stellt klar, ihm reiche eine Integration nicht aus.63 Er will, „daß [sic!] der Fremde sich so fühlt und so verhält, als wäre er ein Einheimischer“.64 Nur Assimilierte sollen die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten dürfen.65 Sellner will die Einbürgerung mit einem „Assimilationsvertrag“66 verbinden. Die Eingebürgerten sollen verpflichtet werden, die „ethnokulturelle Identität“ zu schützen. Wenn jemand gegen den Vertrag verstößt, soll ihm oder ihr die Staatsbürgerschaft entzogen werden dürfen.67 Wie die Forderung nach Assimilation mit dem Grundgesetz (z. B. Menschenwürde, Recht auf freie Entfaltung, Religionsfreiheit) vereinbar sein soll, ist äußerst fraglich.

"Großangelegtes Remigrationsprojekt"

Wer soll in Sellners Augen aus Deutschland verdrängt und vertrieben werden? Er nennt drei Kategorien: „Asylanten“, „Sonstige Ausländer“ sowie „Nichtassimilierte Eingebürgerte und Staatsbürger“.68 Über die dritte Kategorie schreibt er, „Ghettogesetze“ mit schärferen Kontrollen und Vorgaben könnten den „Assimilationsdruck“ erhöhen.69 

Ähnlich formuliert es der Thüringer AfD-Politiker Björn Höcke, eine in der Identitären Bewegung angesehene Figur, in seinem Buch „Nie zweimal in denselben Fluß [sic!]“ (2018): Höcke schreibt, es brauche ein „großangelegtes Remigrationsprojekt“ mit einer „Politik der wohltemperierten Grausamkeit“.70 Das bedeute, dass „sich menschliche Härten und unschöne Szenen nicht immer vermeiden lassen werden“. Seine Worte klingen bedrohlich: Die Sache werde „gründlich und grundsätzlich“ angepackt.71 Denn: „Wenn einmal die Wendezeit gekommen ist, dann machen wir Deutschen keine halben Sachen.“72


KAPITEL 2
Reconquista21 | Die erste und zweite Reihe

„Jetzt Karten sichern“, warb die Identitäre Bewegung in den sozialen Netzwerken: „Wir feiern 10 Jahre Widerstand“ (siehe Abbildung 5). Die Feier sollte geheim stattfinden. „Bitte den Veranstaltungsort nicht nach außen kommunizieren“, hieß es. Aber der Ort flog auf: Die Identitären feierten am 1. Juni 2024 auf dem Gelände einer alten Mühle in Sachsen. Anlass war das zehnjährige Bestehen der Identitären Bewegung Deutschland, die Mitte 2014 in das Vereinsregister eingetragen wurde.

Ein Schiff mit dem Banner "NO WAY, YOU WILL NOT MAKE EUROPE HOME!" auf dem Rumpf. Text auf dem Bild: "Wir feiern '10 Jahre Widerstand' 1. Juni 2024 in Ostdeutschland. Jetzt Karten sichern. Eintritt: 15 € für Aktivisten und Förderer kostenlos.
Abbildung 5: Die 10-Jahr-Feier der Identitären Bewegung Deutschland, Quelle: Screenshot Telegram-Kanal „Identitäre Bewegung Deutschland“, 01.04.2025

Nachdem einige Autos das Gelände passiert hatten, montierten Teilnehmer*innen ein großes Banner, um die Zufahrtstraße abzusperren und einen freien Blick auf den Veranstaltungsort zu verhindern (siehe Abbildung 6). Man wollte ungestört sein. Auf dem Banner standen die Worte: „Eine Jugend, ein Jahrhundert, eine letzte Chance“. Und: „Reconquista21“, der Name der südwestdeutschen Identitären. Etwa 100 vor allem junge Menschen nahmen an der Veranstaltung teil, darunter zahlreiche aus dem Südwesten.

Blick durch ein geöffnetes Tor auf ein altes, teils verfallenes Gebäude. Am Tor hängen zwei Banner:Links ein Banner mit Logo von Reconquista21 und Schriftzug „Eine Jugend, ein Jahrhundert, eine letzte Chance“. Rechts ein Banner mit Logo von Partyraum Uhlig-Mühle.
Abbildung 6: Der Weg zur 10-Jahr-Feier der Identitären

Das Bundesamt für Verfassungsschutz zählt 500 Anhänger*innen der Identitären Bewegung in Deutschland73 – ein Fünftel davon in Baden-Württemberg74 –, „vor allem junge, männliche Erwachsene bis ca. 35 Jahre“.75 Zwar bildet der Südwesten einen Hotspot der Identitären. Allerdings muss betont werden: Der aktivistische Kern ist relativ klein. Das legt eine Auswertung der Fotos und Videos nahe, welche die Identitären in den sozialen Netzwerken verbreitet haben.

"Reqonquista21" und die "Aktivisten"

Reconquista21, die zentrale Struktur der südwestdeutschen Identitären, nutzt allerlei soziale Medien: Instagram, Telegram, WhatsApp, X. Der Instagram-Kanal ist in der Vergangenheit gesperrt worden. Das X-Profil hat ca. 5.000 Follower*innen, der Telegram-Kanal ca. 2.000 Abonnent*innen.76 Reconquista21 betreibt einen Rumble-Kanal, um ihre eigenen Videos hochzuladen. Einige Mitglieder77 haben Instagram-, TikTok- und X-Profile, um Politisches zu verbreiten und den Austausch mit Sympathisant*innen zu pflegen.

Für den Blick auf die Mitglieder bietet sich eine Unterscheidung zwischen der ersten, zweiten und dritten Reihe an. Zwar ist die Unterscheidung schwierig, denn Übergänge zwischen den Reihen sind fließend, aber sie hilft, die Strategien der Identitären zu verstehen. In seinem Buch „Kontrakultur“ (2017) schrieb der Identitäre Mario Müller, die „erste Reihe“ bezeichne „diejenigen Aktivisten, die allzeit bereit und jederzeit abrufbar sind, um für ihre Überzeugung Gesicht zu zeigen und Risiken einzugehen“.78 Sie sei bereit, die eigenen Ideale „um jeden Preis zu verteidigen".      79

Allerdings ist zu beobachten: Auch in der zweiten Reihe gibt es „Aktivisten“, die hin und wieder Gesicht zeigen. Insgesamt aber sind Unterschiede in der Außenkommunikation und Präsenz zu beobachten. Mitglieder, die in der dritten Reihe stehen, wollen gänzlich im Hintergrund bleiben; einzig Reconquista21 selbst und dem Inlandsgeheimdienst dürften die Identitäten jener Mitglieder bekannt sein. Wer in welcher Reihe steht – all das ist dynamisch, fluide. Jederzeit können Mitglieder die Reihe wechseln. Die Zuordnung, wer in welcher Reihe anzutreffen (gewesen) ist, basiert auf einer Auswertung der Jahre 2023, 2024 und 2025.

Aus der ersten Reihe – eine Auswahl

Marius Keipp

Die Identitären gaben in den sozialen Netzwerken bekannt, Marius Keipp sei der „Leiter“80 von Reconquista21. Keipp ist seit einigen Jahren in den Reihen der Identitären Bewegung im Südwesten präsent. Zum Beispiel ist er auf einem Foto einer „Flyeroffensive“ 2018 zu erkennen.81 Der Südkurier berichtete im Sommer 2024, die AfD habe bestätigt, dass Marius Keipp Mitglied der Partei sei.82 Damals wurde er auf der Webseite der Jungen Alternative Baden-Württemberg als Ansprechperson des Kreisverbandes Ravensburg/Bodensee-Region gelistet (siehe Abbildung 7). Nachdem der Südkurier berichtet hatte, verschwand die Information. Am 1. Februar 2025 besuchte Keipp den Bundeskongress der Jungen Alternative in Thüringen.83

Logo des Kreisverbands Ravensburg/Bodenseekreis mit dem Text: "Kreisverband Ravensburg/Bodensee-Region (Ravensburg, Bodenseekreis, Konstanz). Ansprechpartner: Marius Keipp. Jetzt kontaktieren!"
Abbildung 7: Marius Keipp, „Ansprechpartner“ der Jungen Alternative, Quelle: Screenshot Webseite „Junge Alternative Baden-Württemberg“, 01.04.2025

Michael Seibold

Wie Keipp ist Michael Seibold seit Jahren in den Reihen der Identitären im Südwesten präsent. Beispielsweise nahm er gemeinsam mit Keipp an einem „Aktivistenwochenende“ 2019 teil.84 Seibold pflegt die Nähe zur AfD: Ein hessischer Funktionär der Jungen Alternative besuchte am 20. Mai 2023 die Junge Alternative Baden-Württemberg im Stuttgarter Landtag.85 Ein Foto des Besuchs zeigt 16 Personen, darunter den baden-württembergischen AfD-Landtagsabgeordneten Anton Baron und Michael Seibold (siehe Abbildung 8).86 

 

Gruppenfoto von Mitgliedern der Mitgliedern der AfD, der Jungen Alternative und der Identitären Bewegung  mit dem Text: "Gestern besuchte uns der Stellvertretende Landesvorsitzende der JA Hessen im Stuttgarter Landtag. Der Fraktionsvorsitzende Anton Baron MdL und Dominik Asch tauschten sich dort über Metapolitik aus, worüber Dominik Asch zuvor einen Vortrag hielt."
Abbildung 8: Michael Seibold mit dem AfD-Landtagsabgeordneten Anton Baron (2023), Quelle: Screenshot Telegram-Kanal „Junge Alternative Baden-Württemberg“, 01.04.2025

Gemeinsam veranstalteten Reconquista21 und die Junge Alternative Nordschwaben am 9. Dezember 2023 einen „Spaziergang“ gegen eine Asylunterkunft im bayerischen Holzheim (siehe Abbildung 9). Ein Gruppenfoto junger Teilnehmer*innen zeigt Seibold, der offenbar Redner der Versammlung war, mit 17 Verpixelten.87

Person mit Megafon, Text: "Für Holzheim gegen das Asylheim. Samstag, 9.12., 18:00, EDEKA, Holzheim."
Abbildung 9: Eine Kooperation zwischen Reconquista21 und Junger Alternative (2023), Quelle: Screenshot Telegram-Kanal „Junge Alternative Nordschwaben“, 01.04.2025

Jannis George

Jannis George, der in der ersten Reihe in Erscheinung getreten ist, wurde auf dem 14. Landeskongress der Jungen Alternative Baden-Württemberg, der am 19. Oktober 2024 nahe Offenburg (Ortenaukreis) stattfand und das Motto „Jugend im Widerstand“ trug, als Beisitzer in den Vorstand gewählt.88 Für das Filmkunstkollektiv hatte er mit Michael Seibold den Landeskongress mit der Kamera begleitet. Regelmäßig, vor allem im AfD-Kontext, treten George und Seibold als Fotografen und Filmer in Erscheinung (mehr in Kapitel 3).

Die AfD Ettlingen und die Junge Alternative Karlsruhe kündigten für den 4. März 2024 einen „Vortragsabend“ mit Jannis George in Ettlingen (Landkreis Karlsruhe) an. Ein „Vortragsabend“ der Jungen Alternative Baden-Baden/Rastatt folgte in Rastatt (siehe Abbildung 10). „Unser Karlsruher Mitglied Jannis“ halte den Vortrag, schrieb die Junge Alternative Baden-Württemberg in den sozialen Netzwerken.89

Porträt des Redners Jannis G. mit Text: "Vortragsabend Rastatt. Montag, 25.03.2024, 19:30 Uhr, Rastatt. Anmeldung: info@jabw.de." Symbol in der rechten unteren Ecke: Dreieck mit Flammen und Text "Junge Alternative Baden-Baden/Rastatt."
Abbildung 10, Quelle: Screenshot Telegram, 01.04.2025

Tim und Aaron F.

Auch Tim F. und sein jüngerer Bruder Aaron sind in der ersten Reihe der südwestdeutschen Identitären präsent. Regelmäßig nehmen die beiden an Aktivitäten der extremen Rechten teil. Zum Beispiel besuchten sie im Jahr 2024 die „Winterakademie“ des Instituts für Staatspolitik in Sachsen-Anhalt und eine Kundgebung der Jungen Alternative Baden-Württemberg in Mannheim.90

Tim F. verbreitete im November 2024 ein Video in den sozialen Netzwerken, das zeigte, wie er mehrere Plakate für eine Gedenkveranstaltung anlässlich der Novemberpogrome 1938 zerstörte.91 Die Veranstaltung sollte auf dem Hermann-Schlotterbeck-Platz in Welzheim (Rems-Murr-Kreis) stattfinden. Der NS-Widerstandskämpfer Hermann Schlotterbeck war im KZ Welzheim inhaftiert. Er wurde 1945 nahe Riedlingen (Landkreis Biberach) erschossen.

Im August 2025 behaupteten Tim und Aaron F. in einem Video[92, die Identitäre Bewegung Deutschland sei inzwischen eine Partei. Man habe einen baden-württembergischen Landesverband der Partei gegründet und wolle bei der Landtagswahl 2026 im Südwesten antreten. Das Video zeigt eine „Landesliste“ mit den Namen der beiden Rechtsextremen. Ob die Behauptungen korrekt sind, ist unklar.93

Maximilian M.

Maximilian M. fungiert seit längerem als Sprachrohr und Werbegesicht von Reconquista21. Er spricht in die Kamera, um junge Menschen mit seinen Botschaften zu erreichen. Mal beklagt er eine Verurteilung, mal startet er einen Spendenaufruf, mal erklärt er, warum er ein „Biodeutscher“ sei.94 Offenbar hat Maximilian M. für den rechtsextremen Heimatkurier geschrieben. Denn er gab im Juli 2024 in den sozialen Netzwerken an, er habe „mal wieder“ für das Onlinemedium „in die Tasten gehauen“.95

Der Identitäre verehrt die AfD. Im Zuge des Thüringer Landtagswahlkampfs 2024 postete er in den sozialen Netzwerken eine Schwarz-Weiß-Aufnahme des AfD-Politikers Björn Höcke mit dem Hashtag „#AllesfürHöcke“.96 Damit spielte er auf Höckes Verurteilungen wegen der Verwendung der illegalen SA-Parole „Alles für Deutschland“ an.97

Annie H.

Annie H., die einzige Frau in der ersten Reihe der Identitären in Süddeutschland, dient als weibliches Sprachrohr und Werbegesicht. Ihr Gesicht wird verwendet, um der Identitären Bewegung ein freundliches, harmloses Image zu geben (siehe Abbildung 11). H. will junge Frauen ansprechen. In einem Video erzählt sie fröhlich: „Gerade sitzen wir am Feuer und spielen mal wieder ein paar Lieder und es ist mal wieder ein richtig schönes Gemeinschaftserlebnis und ein super Zusammenhalt. Man fühlt sich wohl und man nimmt immer einiges mit.“

Links: Eine lächelnde, junge Frau langem Haar in einem Innenraum. Text: Mach, was wirklich zählt. Werde Aktivist oder Fördermitglied. Unten Lambda-Symbol der Identitären Bewegung, Webadresse www.identitaere-bewegung.de. Im Hintergrund unscharf ein Bild mit einer Hand, die eine rot qualmende Rauchfackel hält. Rechts: Frau mit Sonnenbrille und langem Haar. Text: 20. Juli Defend Europe. Wien, 16:00 Uhr, Heldenplatz. Unten Social-Media-Symbole, Webadresse aktivismus.at und Lambda-Symbol
Abbildung 11: Annie H. als Werbegesicht der Identitären, Quelle: Screenshots Telegram-Kanäle „Identitäre Bewegung Deutschland“ und „Identitäre Bewegung Österreich“, 01.04.2025

Seit Jahren ist Annie H. in den Reihen der Identitären präsent. Im Rahmen der 10-Jahr-Feier der Identitären Bewegung Deutschland schwärmte sie gegenüber dem rechtsextremen Medium Compact TV, sie habe inzwischen „so viele Dächer von oben gesehen“.98 Damit spielte sie auf die gängige Aktionsform der Identitären an, Dächer zu besteigen, um Banner zu hissen (mehr in Kapitel 4).

Aus der zweiten Reihe – eine Auswahl

Dennis H.

Dennis H. stammt aus der Neonazi-Szene. Er besuchte im Jahr 2019 die „Tage der nationalen Bewegung“, ein einschlägiges Rechtsrock-Event in Thüringen. Mit Germanium und Killuminati waren Bands aus dem Südwesten angekündigt. 2020/21 war H. in der Neonazi-Kameradschaft Junge Revolution aktiv. Mitte 2021 machte die Kameradschaft mit der Schweizer Jungen Tat eine gemeinsame Wanderung. In Anbetracht strafrechtlicher Ermittlungen, die mehrere Hausdurchsuchungen umfasste, verkündete die Neonazi-Kameradschaft im August 2021, man habe nach „reiflicher Überlegung“ die Auflösung der Jungen Revolution beschlossen.99

Die Jungen Nationalisten, die Jugendorganisation der Neonazi-Partei NPD (inzwischen Die Heimat), führten von 14. bis 16. Oktober 2022 einen „Gemeinschaftstag Süd“ in Kirchberg/Jagst (Landkreis Schwäbisch Hall) durch.100 Im Rahmen der Veranstaltung gründeten sie einen „Stützpunkt Baden-Württemberg“. Die Jungen Nationalisten gaben in den sozialen Netzwerken bekannt, ab sofort habe der Südwesten einen „organisierten Ansprechpartner im Kampf um Volk und Vaterland“.101 Wie mehrere Neonazis aus Baden-Württemberg nahm auch Dennis H. an der Veranstaltung teil.

2023/24 trat Dennis H. im Kontext der Jungen Alternative in Erscheinung: Als die Junge Alternative Baden-Württemberg am 22. Oktober 2023 die Kundgebung „Stoppt den Woke-Wahnsinn!“ gegen eine Kinderbuchlesung einer Dragqueen in Ludwigsburg veranstaltete, nahmen mehrere Identitäre aus dem Südwesten teil. Neben Michael Seibold, der die Versammlung mit einer Kamera begleitete, trug Dennis H. eine Ordnerbinde.102

Fabian K.

Am 8. Januar 2024 demonstrierte die Junge Alternative Baden-Württemberg in Stuttgart, um „Solidarität mit den Bauernprotesten“ zu üben. Im Anschluss veröffentlichte sie einige Fotos der Versammlung in den sozialen Netzwerken. Eines dieser Fotos zeigt den baden-württembergischen AfD-Landtagsabgeordneten Anton Baron und Dennis H. mit einem Banner der Jungen Alternative Baden-Württemberg (siehe Abbildung 12).

Fotocollage einer Demonstration in Stuttgart mit Text: "Wir stehen an der Seite unserer Bauern! Impressionen der Kundgebung der Bauern in Stuttgart."
Abbildung 12: Dennis H. mit dem AfD-Landtagsabgeordneten Anton Baron (2024), Quelle: Screenshot Telegram-Kanal „Junge Alternative Baden-Württemberg“, 01.04.2025

Wie Dennis H. ist auch Fabian K. in der zweiten Reihe zu verorten. Gemeinsam besuchten sie am 13. Februar 2022 den traditionellen „Trauermarsch“ in Dresden (Sachsen). Seit Jahrzehnten nutzen Neonazis den „Trauermarsch“ anlässlich des Jahrestages der Bombardierung Dresdens im Zweiten Weltkrieg, um die Geschichte der Shoah und des Krieges umzudeuten. An der Demonstration 2022 nahmen rund 800 Neonazis teil. Fabian K. und Dennis H. begleiteten den Lautsprecherwagen.

Der Freundeskreis Ein Herz für Deutschland führte am 4. Dezember 2023 eine Fackelmahnwache auf dem Heilbronner Wartberg durch. An der Mahnwache anlässlich des 78. Jahrestages der Bombardierung Heilbronns im Zweiten Weltkrieg nahmen Anhänger*innen der Neonazi-Parteien Der Dritte Weg und Die Heimat (ehemals NPD) teil. Unter den Teilnehmenden war die langjährige NPD-Funktionärin Edda Schmidt.103 Auch Fabian K. trug eine Fackel.

Am 27. Januar 2024 veranstaltete ein Bündnis demokratischer Parteien und Vereine eine Kundgebung auf dem Marktplatz in Öhringen (Hohenlohekreis).104 Das Motto lautete: „Nie wieder ist jetzt!“ In der Nähe hatte die AfD Hohenlohe-Schwäbisch Hall mit dem Landtagsabgeordneten Anton Baron einen Infostand. Während der Kundgebung gingen Anhänger*innen der Partei an den Rand der Versammlung. Ein Foto belegt, wie Fabian K., der zwei Schilder mit AfD-Wahlplakaten hielt, am Rand stand.

Hagen R.

Auch Hagen R. ist ein Gesicht der zweiten Reihe. Er weist Kontakte in die Neonazi-Szene auf. Mit Dennis H. nahm er im Oktober 2022 am „Gemeinschaftstag Süd“ der Jungen Nationalisten in Kirchberg/Jagst teil. Wenig später, im März 2023, besuchte er ein „Aktivistenwochenende“ der Identitären. „Ich bin Hagen, ich bin 19 Jahre alt“, stellte er sich in einem Video der damaligen Wackren Schwaben vor.105

Zwischenzeitlich wurde Hagen R. auf der Webseite der Jungen Alternative Baden-Württemberg als Vorstandsmitglied der Jungen Alternative Hohenlohe-Schwäbisch Hall genannt (siehe Abbildung 13).

Info über Kreisverband Junge Alternative Baden-Württemberg Schwäbisch-Hall/Hohenlohe mit Ansprechpartnern: Benjamin G., Lukas St., Mark K., Hagen R., Marc G. Info über Kreisverband Junge Alternative Baden-Württemberg Schwäbisch-Hall/Hohenlohe mit Ansprechpartnern: Benjamin G., Lukas St., Mark K., Hagen R., Marc G.
Abbildung 13: Hagen R., „Kreisvorstand“ der Jungen Alternative (2024), Quelle: Screenshot Webseite „Junge Alternative Baden-Württemberg“, 01.04.2025

Jener Kreisverband wurde am 7. Januar 2024 gegründett106 und veranstaltete am 22. Juni 2024 einen „Thementag Sport und Ernährung“. Am „Thementag“, der auf einem Grillplatz in Mainhardt (Schwäbisch Hall) stattfand, nahm Hagen R. mit Fabian K. und Jannis George teil. Auch Benjamin Götz, AfD-Bundestagskandidat 2025, Vorstandsmitglied der Jungen Alternative Baden-Württemberg und Vorsitzender der Jungen Alternative Hohenlohe-Schwäbisch Hall, war vor Ort.

Hagen R. war mit Max K., einem Vorstandsmitglied der Jungen Alternative Hohenlohe-Schwäbisch Hall, und zahlreichen Mitgliedern von Reconquista21 zu Gast in der „Winterakademie“ 2024 des Instituts für Staatspolitik. Im Rahmen der „Winterakademie“, die von 16. bis 18. Februar in Sachsen-Anhalt stattfand und „Rußland“ [sic!] zum Thema hatte, diskutierte Götz Kubitschek mit dem Thüringer AfD-Politiker Björn Höcke über die „Lage 2024“.107


KAPITEL 3
Reconquista21 | Die Strukturen

Tarnvereine

Reconquista21 ist die Bezeichnung eines Zusammenschlusses – kein Verein, sondern eine lose Marke, keine feste, aber die zentrale Struktur. Mit den südwestdeutschen Identitären ist – mindestens – ein Tarnverein verknüpft: das Bürgernetzwerk Süd. Bis zuletzt nutzten sie den Schwäbischen Kulturverein. Jener Tarnverein hatte die Funktion eines Türöffners: Identitäre haben ihn genutzt, um Räumlichkeiten anzumieten. Im Folgenden wird ein Blick auf die beiden Vereine geworfen.

"Schwäbischer Kulturverein"

Der Schwäbische Kulturverein mit Sitz in Konstanz wurde 2017 in einer Gaststätte in der Stadt am Bodensee gegründet.108 Mindestens fünf der sieben Gründungsmitglieder waren in Ortsgruppen der Identitären Bewegung Schwaben organisiert.109 Bei der Gründung wählte man Dominik B. zum ersten und Jonathan R. zum zweiten Vorstand.

In der Satzung hielt der Verein fest, sein Zweck sei die „ideelle und finanzielle Förderung“ von „politischen Gruppen innerhalb und außerhalb Deutschlands“. Um den Zweck zu erfüllen, sollten Gelder durch Veranstaltungen und die „direkte Ansprache von Firmen und Personen“ beschafft werden. Es hieß, der Verein könne Mittel an „andere Vereine“ geben oder die „Kosten für Veranstaltungen oder Büroeinrichtungen“ tragen.

„Büroeinrichtungen“ – hier deuteten die Identitären an, eigene Räumlichkeiten mieten zu wollen. 2018, knapp ein Jahr nach Gründung des Schwäbischen Kulturvereins, schrieb das baden-württembergische Innenministerium, die Identitären hätten „keinen offiziellen Sitz“ im Südwesten, aber „Räumlichkeiten im Land angemietet“.110

Rechte Umtriebe Ulm, ein antifaschistisches Recherchekollektiv, machte 2022 öffentlich, dass die Identitären mithilfe ihres Tarnvereins eine Räumlichkeit in Ulm angemietet hätten.111 Eine Mietpartei der Räumlichkeit habe den Namen „Schwäbischer Kulturverein e.V. für Heimat und Traditionspflege/Identitärer Jugendverein“ getragen. Ein Mieter sei Dominik B. gewesen. Das Recherchekollektiv stellte fest, die Räumlichkeit werde „ausschließlich im Geheimen genutzt“, für interne Treffen und Veranstaltungen, zur Vorbereitung von Aktionen.

Die Identitären nutzten den Tarnverein, um das Schloss Ebersberg in der Gemeinde Auenwald (Rems-Murr-Kreis) für eine mehrtägige Veranstaltung im März 2020 anzumieten (siehe Abbildung 14).112

Luftaufnahme der Burganlage des Schlosses Ebersberg in Auenwald, Baden-Württemberg.
Abbildung 14: Das Schloss Ebersberg in Auenwald (Rems-Murr-Kreis)

Etwa 25 Identitäre nahmen daran teil.113 Der SWR begleitete die Identitären für die Dokumentation „Vergiftete Heimat – Die netten Rechten von nebenan“.114

Nachdem bekannt wurde, dass die Identitären das Schloss Ebersberg unter dem Deckmantel ihres Schwäbischen Kulturvereins gemietet hatten, stellte die Deutsche Pfadfinderschaft Sankt Georgen (DPSG) klar, man sei „über den tatsächlichen Zweck der Buchung“ getäuscht worden.115 Der DPSG Diözesanverband Rottenburg Stuttgart verwaltet das Schloss. Er betonte in seiner Stellungnahme: „Wir distanzieren uns aufs Allerschärfste von der ‚Identitären Bewegung‘ und ihren Zielen.“116

Im März 2025 beschloss der Schwäbische Kulturverein seine Auflösung.

"Bürgernetzwerk Süd"

Das Bürgernetzwerk Süd hat seinen Sitz in Stuttgart. Der Verein, der elf Gründungsmitglieder hat, wurde 2019 in einer Gaststätte in Ulm gegründet.117 André E. wurde erster Vorstand, Sven E. übernahm den Posten des zweiten Vorstands.

Offenbar hat Sven E. eine Vergangenheit in der Neonazi-Szene. Das legen Videoaufnahmen aus dem Jahr 2012 nahe.118 Die Aufnahmen zeigen eine Demonstration der Autonomen Nationalisten Göppingen, einer militanten Neonazi-Organisation, die 2014 vom baden-württembergischen Innenministerium verboten wurde.119 Im Demonstrationszug scheint er ein Banner der Neonazi-Webseite Infoportal Schwaben zu tragen.

Wenige Monate nach der Gründungsversammlung deutete die Identitäre Bewegung Schwaben die Existenz ihres Tarnvereins an. In den sozialen Netzwerken schrieb sie:

„Um das oftmals unterschätzte Potential des Südens zu nutzen, wurde ein Bürgernetzwerk für den süddeutschen Raum ins Leben gerufen, welches Unterstützer, Spender und Aktivisten die Möglichkeit gibt, sich an regelmäßig stattfindenden Veranstaltungen über lokale Projekte und Entwicklungen im Süden zu informieren und sich mit Gleichgesinnten oder Aktivisten auszutauschen.“120

Das Bürgernetzwerk Süd führte 2022 eine Online-Mitgliederversammlung durch. Nun gaben André E. und Sven E. den Vorstand auf. Es hieß, man wolle „Platz für neue Leute“ machen. Michael Seibold und Marius Keipp übernahmen die Spitze des Vorstands. Seibold wurde erster, Keipp zweiter Vorsitzender. Im Sommer 2023 gründete Sven E. mit Philip Thaler, dem ehemaligen Bundesvorsitzenden der Identitären Bewegung Deutschland, die AUR Naturals UG für „tierbasierte Nahrungsergänzung“.121 Der Sitz des Unternehmens ist in Dietingen (Landkreis Rottweil).

Das Bürgernetzwerk Süd schreibt in der aktuellen Fassung seiner Satzung, der Verein habe das Ziel, „die Identität des deutschen Volkes als eine eigenständige unter den Identitäten der anderen Völker der Welt zu erhalten und zu fördern“. Weiter heißt es: „Er widersetzt sich insbesondere der fortschreitenden Globalisierung.“ Der Zweck des Vereins werde durch die „Verbreitung von Informationsmaterial“ und das „Sammeln von Spenden zur Unterstützung von Bürger- und Jugendgruppen“ erfüllt. Über die konkreten Aktivitäten ist wenig bekannt. Jedoch wurde der Vereinsname mit der Anschrift des Zentrums Chemnitz (Sachsen) im Impressum der Webseite von Reconquista21 genutzt. Zentrum Chemnitz ist ein Hausprojekt der Identitären.

Weitere Vereine

"Alternative Help Association"

Weitere Vereine sind mit den südwestdeutschen Identitären verknüpft, darunter die Alternative Help Association und das Filmkunstkollektiv. Während die Alternative Help Association im Mai 2024 ihre Auflösung beschloss, spielt das Filmkunstkollektiv eine zentrale Rolle in der „alternativen“ Medienwelt der extremen Rechten.

Identitäre aus Süddeutschland gründeten 2017 die Alternative Help Association (AHA) in einer Gaststätte in Ulm.122 Sven E. und Julian G., Anhänger der Identitären Bewegung Schwaben, wurden an die Spitze des Vereins mit Sitz in Rottweil gewählt.    123 2021 übernahm Sebastian Z. den Vorsitz, Sven E. wurde sein Stellvertreter.

Die Alternative Help Association teilt in ihrer Satzung mit, der Verein leiste humanitäre Hilfe und fördere die Arbeit humanitärer Hilfsorganisationen. Er starte „Medienkampagnen“, um die Öffentlichkeit über die „Lebenssituation“ von Menschen in Not zu informieren, und ergreife „Hilfsmaßnahmen“, um die Situation der Menschen zu verbessern. Hinter dem noblen Zweck steckt, wie der Verein auf seiner Webseite schrieb, die „praktische Umsetzung der identitären Forderung nach Hilfe vor Ort“.124

Man leiste „Hilfe zur Selbsthilfe“ im Libanon und in Syrien, um eine Emigration von Libanes*innen und Syrer*innen nach Deutschland zu verhindern. 2018 gab die Alternative Help Association in den sozialen Netzwerken bekannt, der Verein habe mehr als 10.000 Euro in den Nahen Osten überwiesen, um den Aufbau einer Imkerei, die Renovierung einer Arztpraxis und den Kauf zweier Busse zu finanzieren.125 Die Busse sollten einen Linienverkehr zwischen der syrischen Hauptstadt Damaskus und einem christlichen Dorf namens Maalula ermöglichen.

"Hostel Heimat" in Syrien

Maalula ist eine Pilgerstätte. In dem Dorf steht das Kloster Mar Thekla, auf einer Anhöhe des Dorfes das Kloster der Heiligen Sergius und Bacchus. Die Einwohner*innen Maalulas sprechen Westaramäisch, die Sprache, die einst Jesus von Nazareth gesprochen haben soll. 2013, im syrischen Bürgerkrieg, griffen islamistische Terroristen der al-Nusra-Front das Dorf an. Zahlreiche Einwohner*innen wurden getötet, Häuser und Teile der Klöster zerstört. Bis heute sind die Spuren des Terrors zu sehen.

Mario Müller, damals Mitglied der Alternative Help Association, besuchte das Dorf im Sommer 2018 und berichtete in einem Video, man wolle ein „Gemeindehaus“ wiederaufbauen.126 2022 gab die Alternative Help Association bekannt, in Maalula habe – mit finanzieller Unterstützung des Vereins – das Hostel Heimat eröffnet.127 Besuch aus Deutschland folgte. Zum Beispiel kam der AfD-Bundestagsabgeordnete Roger Beckamp aus Nordrhein-Westfalen, um für das Hostel zu werben. 

2023 reiste Michael Seibold nach Syrien und postete mehrere Fotos auf Instagram:      128 Sonnenbrille, ernstes Gesicht, geballte Faust – so posierte der Identitäre vor den Trümmern aus dem Bürgerkrieg (siehe Abbildung 15).

Mann mit Sonnenbrille steht in einer zerstörten Stadt, Instagram-Post von micha.schwaben mit 207 Likes, veröffentlicht am 8. Mai 2023.
Abbildung 15: Michael Seibold in Syrien (2023), Quelle: Screenshot Instagram-Profil „micha.schwaben“, 01.04.2025

Auf einem seiner Fotos ist ein Propagandaplakat des damaligen syrischen Diktators Baschar al-Assad zu sehen. Es zeigt Assad mit Panzern, Militärkleidung und einer arabischsprachigen Kampfparole. Während Syrer*innen im gefürchteten Militärgefängnis Saidnaya einsaßen, behauptete Seibold im Netz: „Syrien ist sicher, ich konnte mich vor kurzem selbst überzeugen.“129

Regelmäßig berichtete das Syrian Network for Human Rights über Entführungen, Folter und Hinrichtungen.130 Das Magazin zenith schrieb, nach Angaben des Netzwerks seien Hunderttausende Zivilist*innen getötet worden.131 Alleine in Saidnaya wurden seit Ausbruch des Bürgerkriegs 2011 mehrere Tausend Menschen gefoltert und ermordet; daher bezeichnete Amnesty International das Gefängnis als „menschlichen Schlachthof“.132 Nach Assads Sturz im Dezember 2024 wurde das Gefängnis befreit.

Kaum war das Assad-Regime gestürzt, sprach Annie H. in eine Kamera: „Stolze Syrer gehören nach Syrien und Deutschland bleibt unsere Heimat.“133

Für Menschen, die einst aus Syrien nach Deutschland geflohen waren, sei die Zeit gekommen, das Land zu verlassen. Die Identitäre forderte, man solle Syrer*innen, „die immer noch hier sind“, auf ihr Video aufmerksam machen. Die Junge Alternative Deutschland wurde noch deutlicher: „Für Deutschland gibt es keinen Grund mehr, diese Menschen auch nur einen Tag länger auszuhalten. Die millionenfache Remigration kann starten!“ (siehe Abbildung 16).134

Die Junge Alternative Baden-Württemberg teilte den Beitrag.

Flugzeug von oben mit Text: "Syrien befreit? Millionenfache Remigration kann starten." Logo der JA: Offenes Dreieck mit aufsteigenden Flammen.
Abbildung 16, Quelle: Screenshot Telegram-Kanal „Junge Alternative Deutschland“, 01.04.2025

"Filmkunstkollektiv"

Das Filmkunstkollektiv mit Sitz in Dresden (Sachsen) wurde 2021 gegründet. Das Impressum auf seiner Webseite nennt die Adresse des Zentrums Chemnitz. Ein Gründungsmitglied ist Dirk Nahrath.135 Die Familie Nahrath ist seit Jahrzehnten in der Neonazi-Szene aktiv. Sie hat „über drei Generationen hinweg“ die neonazistische Wiking-Jugend geführt, die 1952 gegründet und 1994 durch das Bundesinnenministerium verboten wurde.136 Wolfgang Nahrath (1929–2003) und Sohn Wolfram waren „Bundesführer“, Sohn Dirk war „Gauführer“ in Franken.137 Nach dem Verbot soll Dirk mit seiner Familie die „Einheit Franken“ der Heimattreuen Deutschen Jugend (HDJ) geleitet haben.138 2009 wurde die HDJ, wie bereits die Wiking-Jugend, aufgrund ihrer „Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus“ verboten.

Das Filmkunstkollektiv schreibt in der Satzung, der Verein erfülle „gemeinnützige und mildtätige Zwecke“. Im Mittelpunkt stünden die „Förderung von Bildung und Erziehung“, die „Förderung von Kunst und Kultur“ und die „Förderung internationaler Gesinnung, der Toleranz auf allen Gebieten der Kultur und des Völkerverständigungsgedankens“. Der Verein erfülle diese Zwecke durch „mediale Publikationen“ und die „Förderung des künstlerischen Nachwuchses durch Workshops, Seminare und Veranstaltungen“. Zum Beispiel fand Ende 2024 ein Seminar in Prag (Tschechien) statt.139 Neben Fotograf*innen und Filmer*innen des Vereins nahm auch Marius Keipp, der Leiter von Reconquista21, teil.140

"Speerspitze im Süden"

Erster Vorsitzender und Leiter des Filmkunstkollektivs ist Simon Kaupert. Einst war er der Organisator der Wügida-Proteste („Würzburg gegen die Islamisierung des Abendlandes“).141 Die Proteste waren 2014/15 entstanden. Mitte 2015 besuchte Kaupert ein „Pfingstlager“ der Neonazi-Organisation Junge Nationalisten in Hessen, 2016 begann er seine Arbeit in der Initiative Ein Prozent.142 Die Initiative will ein Prozent der Deutschen mobilisieren, um in der Bundesrepublik einen politischen Wandel zu erzielen. Seither ist Kaupert als Filmer in der extremen Rechten tätig. Seine Aufnahmen werden in AUF1 und Compact-TV ausgestrahlt.

Auf der Webseite des Filmkunstkollektivs werden neben Kaupert sechs weitere Personen genannt. Beispielsweise wird Paul Klemm als „unser Bindeglied zu alternativen Medien“ vorgestellt. Er ist der Leiter von Compact-TV. Neben Klemm werden die Identitären von Reconquista21, Michael Seibold und Annie H., genannt. Über Seibold heißt es: „Micha ist unsere Photo-Speerspitze im Süden.“ (siehe Abbildung 17)

"Micha" steht mit einer Kamera in der Hand und schaut in die Ferne. Im Hintergrund sind hohe Gebäude und eine Menschenmenge zu sehen. Text: "Wir expandieren nach Schwaben. Micha ist unsere Photo-Speerspitze im Süden."
Abbildung 17, Quelle: Screenshot Webseite Filmkunstkollektiv, 01.04.2025

Im Juli 2024 schrieb Kaupert in den sozialen Netzwerken, die „Stammmannschaft“ des Filmkunstkollektivs wachse, und markierte nicht nur die Social-Media-Profile von Michael Seibold und Annie H., sondern auch von Jannis George und Maximilian M.143 

„Wir dienen dem Widerstand aus vollem Herzen“, erklärt das Filmkunstkollektiv auf seiner Webseite.144 Man halte die „ästhetischen Bilder“ und die „schönen Momente“ des Widerstandes fest. Der Verein behauptet, „politisch, personell und finanziell unabhängig von Gruppierungen, Verbänden oder Parteien“ zu sein. Aber die Unabhängigkeit ist fraglich. Zum Beispiel begleitete das Filmkunstkollektiv im September 2024 den AfD-Landtagswahlkampf in Thüringen und im Oktober 2024 den Landeskongress der Jungen Alternative in Baden-Württemberg.145 Im Rahmen jenes Kongresses wurde Jannis George, Aktivist des Filmkunstkollektivs, in den Landesvorstand der Jungen Alternative gewählt.

"Der lange Anlauf"

Im Zuge des Thüringer AfD-Landtagswahlkampfes präsentierte der Verein eine Reportage mit dem Titel „Der lange Anlauf“.146 Die Reportage, die im August 2024 im Thüringer Landtag gezeigt wurde, porträtiert den AfD-Politiker Björn Höcke. In der Beschreibung der Reportage schwärmte das Filmkunstkollektiv, man habe das „unfassbare Privileg“ und die „Ehre“ gehabt, „den wichtigsten deutschen Politiker“ zu begleiten.147 „Ehrenmann“ Höcke sei „der mit Abstand anständigste und grundsätzlichste Mensch“, hieß es. Neben Aufnahmen mehrerer AfD-Events zeigt die Reportage eine Vielzahl pathetischer Szenen: Höcke, der Brennholz spaltet, ein Pferd mit Heu füttert, durch kaltes Gewässer watet, im Halbdunkel seines Büros sitzt.

In der Reportage werden Thüringer AfD-Funktionäre und Götz Kubitschek interviewt. Über die Reportage schrieb Kubitschek auf dem Blog Sezession, „Initiative, Drehbuch und Schnitt“ stammten von Simon Kaupert.148 An der Umsetzung sollen „insgesamt 13 Produktionsassistenten“149 beteiligt gewesen sein. Mindestens drei Mitglieder von Reconquista21 – Jannis George, Michael Seibold und Annie H. – waren involviert. Letztere fertigt in der Reportage ein Ölgemälde des rechtsextremen AfD-Politikers an.


KAPITEL 4
Reconquista21 | Die Aktionsformen

Aktionen mit Bannern, Flugblättern, Parolen

Ihre Aktionen haben ein Muster: Identitäre aus dem Südwesten bestiegen das Dach einer Turnhalle in Albstadt (Zollernalbkreis), um ein Banner mit der Parole „#REMIGRATION/Das Ländle bleibt deutsch“ zu platzieren.150 Sie suchten das Büro von Bündnis90/Die Grünen in Lörrach auf und hängten ein Plakat mit den Worten „#WirHabenPlatz Aber nicht für Deutsche“ an die Fassade. Sie unterstützten eine Aktion in Bayern: Vor einer geplanten Asylunterkunft im oberbayerischen Peutenhausen breiteten sie ein Banner mit der Aufschrift „Gefährderstandort“ aus. 151

Das Muster ist simpel, aber wirkmächtig.

  • Schritt 1: Sie zeigen ein großes Banner mit einer kurzen Botschaft und nutzen farbige Pyrotechnik, um der Botschaft eine gewisse Wirkmacht zu verleihen.
  • Schritt 2: Sie halten das Hissen des Banners und das Zünden der Pyrotechnik mit Kameras fest.
  • Schritt 3: Sie verbreiten Aufnahmen mit griffigen Botschaften und Forderungen in den sozialen Netzwerken. Die Aufnahmen, als Fotos und Kurzvideos veröffentlicht, sollen möglichst eindrucksvoll und spektakulär sein.

Auf ihre Aktionen folgen Reaktionen: In der extremen Rechten werden die Aufnahmen bejubelt. Beispielsweise kommentierte die Junge Alternative Baden-Württemberg das Bannerhissen in Albstadt: „Starke Aktion!“152 Lokalpresse und rechtsextreme Medien wie der Heimatkurier berichten.153 Das Ziel der Identitären: Ihre Provokation soll die Debatte um Asyl und Migration anheizen – lokal und im ländlichen Raum. Damit folgen sie dem Drehbuch des rechtsextremen Publizisten Götz Kubitschek.

"Regelverstoß" ...

2007 veröffentlichte Kubitschek sein Buch „Provokation“. Damals führte er aus: „Provokation, kluge, arrogante, witzige, schockierende, plötzliche, stete, situative Provokation ist für unseren Zweck das unausweichliche und das geeignete Mittel.“154 Die Provokation sei „oft das einzige Mittel der Schwachen“.155 Wer keine Macht besitze, „bereitet sich lange und gründlich vor, studiert die Reflexe des Medienzeitalters und erzwingt durch einen Coup öffentliche Wahrnehmung“. .156 Der Gradmesser einer Provokation sei die mediale Wahrnehmung: „Was nicht in den Medien war, ist aus der Welt, hat nicht stattgefunden, nicht verfangen.“157

Wahrgenommen werde der „gezielte Regelverstoß“, die „Verletzung des Regelwerks“. Allerdings ist in Baden-Württemberg zu beobachten, dass Aktionen der Identitären nicht nur einen Regel-, sondern möglicherweise auch einen Gesetzesverstoß darstellen. Denn gleich in mehreren Fällen ermittelt die Polizei gegen Beteiligte der Aktionen.158

... und "Gesetzesverstoß"?

Offenbar werden Straftaten im Kampf um die mediale Wahrnehmung in Kauf genommen. Das macht eine Aktion vom 23. Juli 2023 im Stuttgarter Stadtteil Untertürkheim deutlich.159 Damals kletterten drei Vermummte mit einer Leiter auf das Dach des Kassenhauses eines Freibades. Die Männer zündeten Rauchtöpfe, hielten ein Banner mit der Aufschrift „Remigration für sichere Freibäder“ und schrien die Parole „Unsere Straßen, unser Land, Jugend leistet Widerstand“. Einer der Vermummten warf ein paar Flyer vom Dach. Darauf stand: „Egal ob Missbrauch in Schwimmbädern, hohe Mieten oder Gewalt in den Innenstädten: Das Problem ist der Bevölkerungsaustausch und die Lösung Remigration!“ Dann verließen die Männer das Dach und flohen in unterschiedliche Richtungen. Wenige Stunden danach verbreiteten die Wackren Schwaben ein Foto der Aktion (siehe Abbildung 18).160

Ein Gebäude mit einem Banner, auf dem Remigration für sichere Freibäder!"steht, während im Hintergrund rote Rauchwolken aufsteigen. Zwei kleinere Bilder zeigen Personen, die an einem Tisch mit Utensilien arbeiten und eine Person, die ein Banner hält. Der Text unter den Bildern lautet: "Remigration für sichere Freibäder!"
Abbildung 18: Die Identitären in Stuttgart (2023), Quelle: Screenshot Telegram-Kanal „Reconquista21“, 01.04.2025

Am 19. September 2024 standen die drei Männer – Jannis George, Maximilian M., Tim F. – in Bad Cannstatt vor Gericht. Denn auf ihrer Flucht hatten sie eine Kamera mit Aufnahmen verloren, die belastendes Material lieferten. Die Staatsanwaltschaft warf den Angeklagten vor, sie hätten „aus fremdenfeindlicher Motivation heraus“ gehandelt, um eine „feindselige Haltung“ gegen Migrant*innen zu schüren. Banner, Flyer und Rufe hätten das Potenzial besessen, „in der Bevölkerung die Neigung zu Rechtsbrüchen zulasten von Migranten zu wecken oder zu verstärken“. Die Anklagepunkte lauteten: Volksverhetzung, Hausfriedensbruch, Verstoß gegen das Vermummungsverbot. Die drei Männer schwiegen vor Gericht. Auch die drei Identitären Michael Seibold, Hagen R. und Aaron F., die am Tatmittag vor Ort gewesen sein sollen, schwiegen im Verhandlungssaal.

Eine Angestellte des Inselbades berichtete vor Gericht, Kinder hätten nicht zuletzt wegen der Pyrotechnik geweint. Sie machte deutlich, dass die Vermummten eine akute Bedrohungslage schufen. Der Staatsanwalt erklärte im Plädoyer, die Angeklagten hätten mit der Tat versucht, „den öffentlichen Frieden zu stören“. Der Gesamtkomplex – Banner, Parolen, Flyer, Rauchtöpfe – begründe die Volksverhetzung. Die Richterin folgte den Einschätzungen des Staatsanwalts und urteilte: sechs Monate Haft mit zwei Jahren Bewährung.161 Sie resümierte, die Angeklagten hätten Gefühle der Unsicherheit erzeugt. Kaum war das Urteil verkündet, gingen die Identitären medial in die Offensive. Annie H. kommentierte: „Ein unglaubliches Skandalurteil“.162 In einem Kurzvideo, das Reconquista21 verbreitete, machte Tim F. klar: „Wir lassen uns durch dieses lächerliche Urteil nicht unterkriegen.“163

Spendensammlungen

Prompt kündigten die Identitären an, Berufung gegen das Urteil einlegen zu wollen, und riefen dazu auf, Geld an den „Solifonds“ von Ein Prozent zu spenden.164 Öffentlichkeitswirksam spendete der AfD-Landtagsabgeordnete Franz Schmid aus Bayern an den Fonds.165 Roger Beckamp, damals AfD-Bundestagsabgeordneter aus Nordrhein-Westfalen, lud zu einer „Spendengala“.166 Die Gelder, die im „Solifonds“ gesammelt wurden, sollten die Anwaltskosten refinanzieren. Allerdings gab Maximilian M. in der Gala preis, ein „befreundeter Anwalt“ habe die Kosten der ersten Instanz übernommen.167 Für die zweite Instanz sei bislang lediglich eine Anzahlung von 500 Euro fällig geworden.

Ähnlich traten die Identitären bei einer Aktion vom 27. Juni 2024 in Karlsruhe auf. Damals hatten mehrere Mitglieder von Reconquista21 vor dem Eingang des Badischen Landesmuseums ein großflächiges, schwarz-rot-goldenes Banner mit der Aufschrift „Stolzmonat“ ausgelegt und schwarze, rote und gelbe Rauchgranaten gezündet. Mit dem Begriff „Stolzmonat“ versuchte die extreme Rechte, ein Gegennarrativ zum „Pride Month“168 zu etablieren. Reconquista21 verbreitete ein Foto der Aktion (siehe Abbildung 19). Es zeigt das Banner und den Nebel der Pyrotechnik aus der Vogelperspektive. Die Polizei eröffnete ein Ermittlungsverfahren wegen eines Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz. Im Zuge der Ermittlungen wurde am 19. November 2024 eine Wohnung durchsucht.

Zwei Bilder: Erstes Bild: Banner in schwarz-rot-gold. Aufschrift: „Stolzmonat“. Im Hintergrund farbige Rauchwolken in schwarz-rot-gold. Zweites Bild: Karlsruher Schloss mit farbigen Rauchwolken im Vordergrund, ebenfalls in schwarz-rot-gold.  Darunter: "Stolzaktion am Karlsruher Schloss!"
Abbildung 19: Die Identitären in Karlsruhe (2024), Quelle: Screenshot Telegram-Kanal „Reconquista21“, 01.04.2025

Schnell machten die Identitären den Vorgang öffentlich, um Empörung und Solidarität auszulösen – und um Geld zu sammeln.169 Auch hier sollten die Spenden an den „Solifonds“ von Ein Prozent fließen. Sander Perón, damals Sprecher der Jungen Alternative Baden-Württemberg, beklagte die Maßnahme gegen „unsere Aktivisten“ und spendete 50 Euro an den Fonds.170 Perón forderte: „Die Partei muss ihr Vorfeld schützen!“ Reconquista21 dankte ihm in den sozialen Netzwerken mit dem Satz: „Wenn alle patriotischen Akteure an einem Strang ziehen, sind wir nicht mehr kleinzukriegen.“171

Demonstrationen

Das „Event des Jahres“ sei ein „voller Erfolg“ gewesen, schwärmte Annie H. nach der „Remigrationsdemo“ vom 20. Juli 2024 in Wien (Österreich).172 Die Demonstration der Identitären Bewegung, die seit 2015 in der Hauptstadt durchgeführt wird, trug das Motto „Defend Europe“. Etwa 300 bis 350 Menschen nahmen teil.173 Unter den Teilnehmenden waren vor allem Identitäre und Neonazis aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. 

Martin Sellner, Gründer und Kopf der Identitären Bewegung Österreich, sagte in seiner Rede: „Tout pour la France, tutto per l’Italia, tudo para Portugal, alles für Österreich und 99,999 Prozent für Deutschland“174 – eine offensichtliche Anspielung auf die Verurteilung des Thüringer AfD-Politikers Björn Höcke („Alles für Deutschland“). 

Auf der Bühne begrüßte Sellner das Mitglied von Reconquista21 Michael Seibold mit den Worten, er sei ein „IB-Veteran“, ein „großartiger Idealist“.175 In seiner Rede mahnte Seibold, die Lage sei ernst, und klagte: „Unsere Städte werden mit Migranten geflutet.“ Aber die Identitären seien die „Träger der Veränderung“. Sie hätten das „Potential zur Wende“. Seibold, Maximilian M. und Max K. begleiteten die Demonstration mit ihren Kameras. Hagen R. und Dennis H. trugen Fahnen, Tim F. und Fabian K. blockierten Pressefotograf*innen mit Regenschirmen. Auch Marius Keipp, der Leiter von Reconquista21, und Annie H. nahmen teil.

Im Südwesten unterwegs

Regelmäßig besuchen Identitäre aus dem Südwesten auch Demonstrationen und Kundgebungen anderer rechtsextremer Organisationen. Eine Kundgebung der Jungen Alternative Baden-Württemberg am 2. Juni 2024 in Mannheim liefert ein eindrückliches Beispiel. Anlass der Versammlung war ein Angriff auf den Islamhasser Michael Stürzenberger. Im Zuge des Angriffs hatte ein Islamist, der aus Afghanistan stammt, den 29-jährigen Polizisten Rouven Laur erstochen. Deshalb nannte die Junge Alternative ihr Kundgebungsmotto „Remigration hätte diese Tat verhindert!“ Neben Anna Leisten, einer Funktionärin der Jungen Alternative Brandenburg, sprachen mehrere AfD-Parlamentsabgeordnete.176

Etwa 200 Menschen besuchten die Kundgebung,177 darunter zahlreiche Mitglieder von Reconquista21. Beispielsweise hielten Tim und Aaron F. ein Transparent mit der Aufschrift „Remigration“. Jannis George, der ein Shirt der Jungen Alternative trug, und Michael Seibold machten Aufnahmen der Versammlung. „Viele junge Aktivisten am Start“, frohlockte Seibold im Netz.178 Sogar Köpfe der Schweizer Jungen Tat waren vor Ort. Die starke Präsenz der Identitären dürfte an der Tatsache gelegen haben, dass die meisten an der 10-Jahr-Feier der Identitären Bewegung tags zuvor in Sachsen teilgenommen hatten. Offenbar waren sie gemeinsam aus der sächsischen Provinz angereist.

Vier Tage nach der Kundgebung gab Reconquista21 in den sozialen Netzwerken an, ein Transparent mit der Aufschrift „Rouven-Laur-Platz“ am Tatort angebracht zu haben.179 Es hieß, man fordere mit der symbolischen Umbenennung des Marktplatzes die Stadt Mannheim auf, „die tödlichen Folgen der Ersetzungsmigration nicht zu verschweigen“.

„Aktivistenwochenenden“

Die Identitären veranstalten sogenannte „Aktivistenwochenenden“ im Südwesten mit einer Mischung aus rechtsextremer Ideologie (Vorträge) und Sport (Kraft-/Kampfsport, Wandern). Die „Aktivistenwochenenden“ haben die Funktion, Identitäre aus dem deutschsprachigen Raum zu vernetzen.

Im März 2022 kündigten die Wackren Schwaben an, am 7./8. Mai ein „Aktivistenwochenende“ in „Schwaben“ durchführen zu wollen (siehe Abbildung 20).180 Im April folgte die Nachricht, es habe bereits am 9./10. April stattgefunden.181 Aber: Das „Aktivistenwochenende“ fand nicht in Schwaben, sondern in Hohenlohe-Franken statt, und zwar im Jugendheim Hohenlohe in Kirchberg/Jagst.182

Plakat mit Text: "Schwaben Aktivisten Wochenende, 07.-08. Mai, Jetzt anmelden!" Im Zentrum des Plakats befindet sich ein rundes Symbol, das durch ein diagonales Kreuz in vier Quadranten unterteilt ist. Jeder Quadrant enthält ein Symbol: eine Gitarre, ein Buch, ein Zelt und eine Flamme. Im Hintergrund sind unscharf Menschen zu sehen.
Abbildung 20: „Aktivistenwochenende“ 2022, Quelle: Screenshot Telegram-Kanal „Wackre Schwaben“, 01.04.2025

Der Bund für Gotterkenntnis (Ludendorff) besitzt das alte Fachwerkhaus seit den 1970er-Jahren. Der rechtsextreme Verein ist Teil des bundesweiten Ludendorff-Netzwerks und pflegt die antisemitische und rassistische Ideologie Mathilde Ludendorffs (18771966).183 Regelmäßig nutzen rechtsextreme Organisationen das Haus für Treffen oder Veranstaltungen.

Rund 30 Personen besuchten das „Aktivistenwochenende“ im April 2022. Die meisten Autos kamen aus Baden-Württemberg und Bayern, einzelne aus Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und der Schweiz. Mehrere Teilnehmende hatten ihre Autokennzeichen abmontiert, manche nutzten einen Shuttle, um abseits des Veranstaltungsortes zu parken. Unter den Teilnehmenden waren Marius Keipp, Michael Seibold und Manuel C., ein Kopf der Jungen Tat aus der Schweiz. Auch Nicolas Brickenstein, der einst in der Identitären Bewegung Schwaben aktiv war, nahm teil. Er hatte sich im Oktober 2020 an einer „Infostandtour“ mit drei Stationen im bayerischen Regierungsbezirk Schwaben beteiligt (siehe Abbildung 21).184 Brickenstein trat im Juni 2024 auf dem AfD-Listenplatz 2 zur Kommunalwahl in Ulm an.185

Ein Mann, der in ein Megafon spricht. Im Hintergrund mehrere Personen und eine Statue. Text: "Unter dem Motto 'Gegen Zensur in den sozialen Netzwerken – Heimatliebe ist kein Verbrechen' gingen am Samstag unsere Aktivisten erneut auf die Straße, um auf diese Problematik aufmerksam zu machen."
Abbildung 21: Nicolas Brickenstein als Identitärer (2020), Quelle: Screenshot Telegram-Kanal „Identitäre Bewegung Schwaben“, 01.04.2025

Er zog in den Stadtrat ein und ist Mitglied im Ausschuss Bildung und Soziales sowie stellvertretendes Mitglied im Ausschuss Kultur.186 

Im Rahmen des „Aktivistenwochenendes“ referierte Philip Thaler, der damalige Bundesvorsitzende der Identitären Bewegung Deutschland, über Metapolitik. Nach dem Treffen berichteten die Identitären:

„Im Fokus standen die Grundlagen der Kulturrevolution von Rechts. Dabei wurden die Theorien von Antonio Gramsci bis Alain de Benoist tiefgehend analysiert.“187

Derartige Treffen haben den Zweck, die Teilnehmenden ideologisch zu schulen. So trug das „Aktivistenwochenende“ 2023 das Motto „Identität und Weltanschauung“. In einer Rückschau hieß es:

Für effektiven Widerstand müssen wir auf einem stabilen weltanschaulichen Fundament stehen. Deswegen befassten wir uns kritisch mit den großen Ideologien des 20. Jahrhunderts.“188

In einem Video, das die Identitären nach dem Treffen veröffentlichten, erzählte der rechtsextreme Influencer Erik Ahrens, er habe einen Vortrag über Marxismus gehalten.189 Als Mitarbeiter des AfD-Politikers Maximilian Krah prägte Ahrens die Social-Media-Offensive der Partei. Auch das „Aktivistenwochenende“ 2024 besuchte er. Der rechtsextreme Heimatkurier berichtete, Ahrens habe „geheimes Wissen“ über die „Genetik Europas“ vermittelt.190 Das Motto des Treffens lautete „Mythos Europa“ (siehe Abbildung 22).

Plakat mit Text: "Reconquista21 Aktivistenwochenende, Mythos Europa, Raum Schwäbische Alb, Mai 2024. Im Hintergrund eine antike griechische Statue mit Helm und Schild sowie eine Karte Europas."
Abbildung 22: „Aktivistenwochenende“ 2024, Quelle: Screenshot Telegram-Kanal „Reconquista21“, 01.04.2025

Die Identitären fragten in der Ankündigung: „Wie hat sich Europa geformt? Wie wurde es verteidigt? Und wie tragen wir unser Erbe in die Zukunft?“191 Laut Heimatkurier wurden die „berühmten Verteidigungsschlachten“ thematisiert.192 Die Teilnehmenden hätten verinnerlicht, „dass Europa schon immer behauptet werden musste“. Nach dem Treffen posteten die Identitären ein Gruppenfoto mit Transparenten (siehe Abbildung 23). Am vorderen Transparent stehen zwei Mitglieder von Reconquista21: Tim F. und Dennis H.

Eine Gruppe von Personen hält ein Banner mit der Aufschrift "Justice pour Matisse" und "Mythos Europa." Ein Mann in Boxhandschuhen, weitere Personen beim Schreiben, Boxen und Essen.
Abbildung 23: Ein Gruppenfoto der Identitären (2024), Quelle: Screenshot Telegram-Kanal „Reconquista21“, 01.04.2025

Neben dem Gruppenfoto stellten die Identitären ein Kurzvideo ins Netz.193 Im Mittelpunkt des Videos steht der Kampfsport. Denn die „Aktivistenwochenenden“ bieten nicht nur ideologische, sondern auch physische Schulung, etwa Liegestütz, Joggen, Dehnen, Boxtraining. Michael Seibold erklärt im Video, er habe das Sparring geleitet. Inzwischen, im Februar 2025, hat Seibold die UBB Sport UG gegründet und will Sportartikel wie Bekleidung, Geräte und Nahrungsergänzungsmittel verkaufen. Sitz des Unternehmens ist ein Haus der Identitären in Schkopau (Sachsen).

Kampfsport und Wanderungen

„Kampfsport ist roh, manchmal brutal, aber auch ehrlich und schön. Er lehrt Respekt, Disziplin und Selbstvertrauen“, schrieb der Identitäre Mario Müller 2017 in seinem Buch „Kontrakultur“.194 Müller erklärt, warum Identitäre trainieren: „Die Regierung hat unsere Grenzen nicht geschützt, als Millionen Illegale in unser Land kamen. Nun ist es an uns, uns selbst zu schützen.“195 Und: „Selbstverteidigung ist unser Recht gegenüber unseren Feinden.“196

Müller, dessen Laufbahn in der militanten Neonazi-Szene begann, ist seit 2022 wissenschaftlicher Mitarbeiter des AfD-Bundestagsabgeordneten Jan Wenzel Schmidt aus Sachsen-Anhalt. Wie seine Vorstellung von legitimer Selbstverteidigung in der Praxis aussieht, offenbart ein Blick in seine Vita. Müller ist ein rechtsextremer Gewalttäter: 2017 griff er mehrere Zivilpolizist*innen an. Das Landgericht Halle (Sachsen-Anhalt) verurteilte ihn wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer sechsmonatigen Bewährungsstrafe.197 Das Urteil ist rechtskräftig. Dieser Vorfall zeigt eindrücklich: Es geht primär um den Straßenkampf, nur sekundär um körperliche Fitness und Gesundheit.

Symbol roher Männlichkeit

Disziplin, Muskeln, Schweiß: So wie der Kampfsport in der extremen Rechten zelebriert wird, ist er geradezu ein Symbol roher Männlichkeit. Undercover-Aufnahmen einer geheimen „Fight Night“ der Identitären im Juli 2024 in Wien zeigen die Glorifizierung brutaler Gewalt.198 Während des Boxkampfes riefen Teile des Publikums eine Durchhalteparole des NS-Regimes: „Endsieg! Endsieg! Endsieg!“

Aus ihren Kampfsport-Events machen die Rechtsextremen kein Geheimnis (siehe Abbildung 24). So bewarb Reconquista21 einen „Sporttag“ (28.04.2024) im „Raum Stuttgart“. Die Einladung zeigt einen Mann mit geballten Fäusten. Die Junge Alternative Baden-Baden/Rastatt kündigte ein „Kampfsport-Training“ (20./27.04.2024) an, die Junge Alternative Hohenlohe-Schwäbisch Hall einen „Thementag Sport und Ernährung“ (22.06.2024) mit „Kampfsport“.

Einladungen zu verschiedenen Veranstaltungen in Stuttgart und Schwäbisch Hall: "Sporttag" am 28. April im Raum Stuttgart mit zwei Personen, die Boxhandschuhe tragen und sich auf einen Boxkampf vorbereiten mit dem Logo von Reconquista21. "Thementag Sport und Ernährung" am 22. Juni in Schwäbisch Hall mit einem Lagerfeuer und dem Logo der Jungen Alternative.
Abbildung 24, Quelle: Screenshot Telegram, 01.04.2025

Neben dem Kampfsport ist bei Identitären das Wandern beliebt.199 Wandern schafft Gemeinschaft und Zusammenhalt. Mehr noch: Es ist Ausdruck des Natürlichen, Traditionellen, Ursprünglichen und – in der Logik rechtsextremer Ideologie – der Gegenpol zur liberalen Moderne und „überfremdeten“ Großstadt. Nach einer „Pfingstwanderung“ schrieben die Identitären entsprechend: „Wir kehren gestärkt in den Großstadt-Dschungel zurück.“200

Angekündigt werden die Wanderungen in den sozialen Medien. Die Identitären nennen das Datum und die grobe Region einer Wanderung (siehe Abbildung 25). So kündigte Reconquista21 im Februar 2025 eine Wanderung im Rems-Murr-Kreis an.201 Sie fand am Ende in Welzheim (Rems-Murr-Kreis) statt.202

Einladungen zu verschiedenen Wanderungen in Ulm, im Kreis Aalen, Schwäbisch Hall und Rems-Murr mit wandernden Menschen in der Natur und im Wald.
Abbildung 25, Quelle: Screenshots Telegram-Kanal „Reconquista21“, 01.04.2025

Die Identitären nutzen derartige Wanderungen, um Foto- und Videomaterial für ihre Social-Media-Kanäle zu produzieren. Nach der Wanderung im Welzheimer Wald posteten sie mehrere Fotos, um Jugendliche und junge Erwachsene anzusprechen. Die Fotos zeigen Bilder harmonischer Gemeinschaft und rauer Natur. Ein gutes Dutzend Personen ist zu erkennen, darunter Dennis H., Tim F. und dessen Bruder Aaron. Gesichter mehrerer Personen sind unkenntlich gemacht.

Vernetzung und Vorträge

Von 27. Juli bis 4. August 2024 machte Martin Sellner mit seinem Buch „Remigration“ eine Vortragstour in Süddeutschland. Das Buch war Anfang 2024 im rechtsextremen Verlag Antaios erschienen. Ein Vortrag seiner Tour sollte im „Raum Calw“ stattfinden, Es hieß später „Pforzheim“. Letztendlich traf Sellner in einem Gasthof in Neulingen (Enzkreis) ein.203 Als der Vortrag begann, kamen Polizist*innen in den Saal. Ein Polizist sprach dem Identitären ein Aufenthaltsverbot für die Gemeinde aus. Später dramatisierte Sellner im Netz, ein „Rollkommando“ habe den Gasthof „gestürmt“.204 Er erfuhr reichlich Solidarität aus der extremen Rechten. Zum Beispiel drückte die AfD-Bundestagsabgeordnete Christina Baum aus Baden-Württemberg ihre Hoffnung aus, Sellner werde „gestärkt aus diesem Angriff hervorgehen“.205

Am 18. Oktober 2024 plante Sellner erneut einen Vortrag im Südwesten und gab an, in Ulm referieren zu wollen. Der Auftritt fand in einer ehemaligen Rockerkneipe in Neu-Ulm (Bayern) statt.206 Die Polizei sprach Sellner auch hier ein Aufenthaltsverbot aus. Ehe die Beamten den Raum betraten, kam Nicolas Brickenstein, der ein Polohemd der Identitären trug, an die Bühne. „Die haben Helme aufgesetzt“, informierte er das Publikum, „die wollen vielleicht hier reinstürmen. “207

Reconquista21 kündigte im Sommer 2024 einen „Schwabenkongress“ an (siehe Abbildung 26):

„Es wird eine einzigartige Gelegenheit für jeden Besucher sein, Größen der Szene persönlich kennenzulernen, Gleichgesinnte zu treffen und Projekte des rechten Lagers hautnah zu erleben.“208

Eine Einladung zum "II. Schwaben-Kongress" mit Motto „Widerstand im Faeserland“ am 30. November um 14:00 Uhr in Ludwigsburg. Im Hintergrund zeigt eine dramatische, feurige Atmosphäre.
Abbildung 26: „Schwabenkongress II“ 2024, Quelle: Screenshot Telegram-Kanal „Reconquista21“, 01.04.2025

Die angekündigten „Größen der Szene“ waren Paul Klemm (Compact TV) und Simon Kaupert (Filmkunstkollektiv). Ob ein Auftritt Martin Sellners geplant war, ließen die Identitären offen. In der Ankündigung stand, das Vernetzungstreffen werde am 30. November 2024 in Ludwigsburg stattfinden. „Wir hatten nie vor, uns in Ludwigsburg zu treffen“, gab Marius Keipp nach der Veranstaltung an.209 Stattdessen sollte das Treffen in einem Sportheim in Nürtingen (Landkreis Esslingen) stattfinden.210 Bereits im November 2023 wollte Martin Sellner dort einen Vortrag halten.211

Das Vernetzungstreffen trug das Motto „Widerstand im Faeserland“. Der Name spielt auf den Kurs der Bundesinnenministerin Nancy Faeser gegen die extreme Rechte an. Sie hat 2023/24 die Artgemeinschaft, das Compact-Magazin und die Hammerskin Nation verboten.212 Der „Schwabenkongress“ war auf 100 Tickets begrenzt. Wenige Tage vor der Veranstaltung gab Maximilian M. bekannt: „Komplett ausverkauft“.213 Die Stadt Nürtingen sprach Aufenthaltsverbote gegen die Referenten des Vernetzungstreffens aus.214 Für Compact TV berichtete Paul Klemm, wohl von Jannis George in Nürtingen gefilmt, über das Verbot.215 Am Ende fand das Treffen im Zentrum Chemnitz statt, rund 500 Kilometer entfernt. Fotos, die Reconquista21 veröffentlichte, zeigen die beiden Referenten Martin Sellner und Götz Kubitschek in dem Haus der Identitären.


Fazit
Reconquista21 | Saubermänner und Neonazis

Der Blick auf die Identitären im Südwesten macht deutlich: Die Identitäre Bewegung ist keine „Bewegung“. Der aktivistische Kern von Reconquista21 ist klein. Wenige Identitäre prägen die Aktivitäten der zentralen Struktur. Schon vor einigen Jahren urteilten Christian Fuchs und Paul Middelhoff in ihrem Buch „Das Netzwerk der Neuen Rechten“ (2019), die Identitäre Bewegung sei „klein, aber gefährlich“.216

Gefährlich, weil es den Identitären mit ihren Aktionen und ihrer Präsenz in den sozialen Netzwerken gelingt, ihre asyl- und migrationsfeindlichen, oftmals rassistischen Botschaften einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Wer eine Asylunterkunft als „Gefährderstandort“ brandmarkt, will hetzen. Will den Frieden und Zusammenhalt unserer Gesellschaft gefährden.

Eine Betrachtung der ersten und zweiten Reihe der südwestdeutschen Identitären offenbart: Vorgebliche Saubermänner suchen die Bühne, während diejenigen, die offene Verbindungen ins Neonazi-Milieu haben, hinter der Bühne stehen. Zwischen den Reihen und Milieus der extremen Rechten – von der AfD bis zum Neonazismus – sind erhebliche Verflechtungen zu beobachten. Besonders sticht die Nähe zwischen AfD und Identitären hervor. Offiziell steht die Identitäre Bewegung auf der „Unvereinbarkeitsliste“ der Partei.217 Aber die zahlreichen Verbindungen, die zwischen Strukturen der Partei und der Identitären bestehen, sprechen Bände. Dabei geht es um digitale und insbesondere personelle Verbindungen. Die „Unvereinbarkeitsliste“ ist nicht mehr als ein Feigenblatt für die AfD.

Wer finanziert die Identitären?

Ungeklärt bleibt die Frage, wer die Identitären finanziert, etwa die „Aktivistenwochenenden“ und das professionelle Kamera-Equipment. Statten AfD-Politiker*innen die Identitären mit finanziellen Mitteln aus? Das legt der AfD-Bundestagsabgeordnete Matthias Helferich aus Nordrhein-Westfalen nahe. Helferich, eine in den Reihen der Identitären beliebte Figur, forderte in seinen „10 Thesen zum Vorfeld“, die Zeit sei gekommen, „dem vorpolitischen Raum etwas zurückzugeben und Planungssicherheit zu schaffen“.218

Wie das aussehen kann, zeigt der AfD-Bundestagsabgeordnete Jan Wenzel Schmidt aus Sachsen-Anhalt. Als eine Journalistin der Frankfurter Allgemeinen Zeitung im Sommer 2024 in seinem Berliner Abgeordnetenbüro ist, fällt ihr an der Wand ein gerahmtes Trikot eines Sommerlagers der Identitären auf.219 Schmidt erklärt, es sei ein Geschenk. Schließlich habe er die Veranstaltung finanziert. Privat natürlich, habe er betont. Im Falle der Identitären im Südwesten ist ein ähnliches Finanzierungsmodell zu vermuten.

Fußnoten