Rechte Medien. Corona im Visier.

Dossier

Eine in den letzten Jahren immer größer gewordene Bandbreite von Zeitschriften und Online-Publikationen bedient das verschwörungsmythische, rechtsintellektuelle und rechtsextreme Spektrum. Hassbürger*innen gestalten Zeitschriften wie „Compact“, betreiben Online-Plattformen wie „Politically Incorrect“ oder publizieren beim Kopp-Verlag. Solche Publikationen und Internet-Präsenzen sind Organisationsformen von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit. Dieses Spektrum will den gesellschaftlichen Diskurs durch Publikationen, soziale Netzwerke und Veranstaltungen in seine Richtung lenken, eine sogenannte Gegenöffentlichkeit gegen ein angebliches Meinungskartell aufbauen und Massen mobilisieren. Aufgerufen wird zum „Widerstand“.

Aufkleber gegen IB

Hassbürger*innen setzen systematisch ganze Bevölkerungsgruppen herab: Sie schwadronieren von der „Umvolkung“, dem vermeintlich „großen Austausch“, der angeblich die Abschaffung der einheimischen Bevölkerung durch eine von geheimnisvollen Mächten gesteuerte Migration vorsieht, beklagen die vermeintliche Unterwanderung durch den Islam, den Feminismus, die angeblich linke Justiz, die Demokratie, kurz: das „System“. Diese Neue Rechte, die den Willen des Volkes repräsentieren will, inszeniert sich als elitäre Minderheit, die alles durchschaut hat, während das Volk noch aufgeklärt werden muss. Ein Vorbürgerkriegs-Szenario wird beschworen und von der Renaissance eines Nationalstaates mit homogenem Staatsvolk geschwärmt. Ihre Sprache in Form von Schmähvokabular (Sarrazin: „Kopftuchmädchen“, Weidel: „Messermänner“), stellt ein „Wir“ her und auf der anderen Seite stehen „die anderen“, zum Beispiel Flüchtlinge. Letztlich läuft es auf die Vernichtung der Geschmähten hinaus. Die symbolische Gewalt in der Sprache nimmt die reale vorweg. Denn: Worte haben Folgen und Sprache ist gelenktes Denken.[1]

Anlässlich der Vorstellung des Verfassungsschutzberichts am 9. Juli 2020 in Berlin betonte BfV-Präsident Thomas Haldenwang, dass neben dem gewaltorientierten Teil der rechtsextremen Szene auch der Teil „immer aktiver und selbstbewusster“ auftritt, „der zwar physisch keine Gewalt ausübt, aber dafür das Virus des Hasses und der Fremdenfeindlichkeit in die Gesellschaft schleudert.“ Namentlich führte Haldenwang im Kontext der Neuen Rechten die „Compact-Magazin GmbH“, die „Identitäre Bewegung Deutschland“, das „Institut für Staatspolitik“, den Verein „Ein Prozent“ und die AfD-Teilorganisationen „Junge Alternative“ und „Der Flügel“ auf. „Der Flügel“ hat nach eigenen Angaben Ende April 2020 seine Aktivitäten bundesweit eingestellt. Die Vertreter*innen dieser Neuen Rechten seien als „inhaltliche Stichwortgeber – mit personellen Überschneidungen in erwiesen extremistische Gruppen hinein“ – gleichsam die „‚Superspreader‘ von Hass, Radikalisierung und Gewalt“, so der BfV-Präsident.[2]

Das „Compact“-Magazin

Compact ist rechtsextremer Verdachtsfall

Der Verfassungsschutz hatte die 2010 gegründete Monatszeitschrift „Compact“, die sich als „Magazin für Souveränität“ versteht, schon im März als rechtsextremen Verdachtsfall eingestuft. „Compact“ „bedient sich revisionistischer, verschwörungstheoretischer und fremdenfeindlicher Motive“, sagte Haldenwang.[3] „Compact“-Chefredakteur ist der gebürtige Pforzheimer Jürgen Elsässer, zugleich Redner bei Pegida-Veranstaltungen und Veranstalter von Kongressen mit AfD-Politiker*innen.[4] Die Ansicht, die Bundesrepublik sei nicht souverän, wird auch von Pegida-Anhänger*innen, Teilen der AfD und dem Mannheimer Sänger Xavier Naidoo geteilt, der sich 2011 mit dem Satz „Deutschland ist immer noch ein besetztes Land“ als Verfechter dieser Theorie outete.[5]

Die Zeitschrift ist das bekannteste Produkt der „Compact-Magazin GmbH“, die neben einer Publikationssparte auch einen Online-Auftritt und einen eigenen Videokanal „Compact TV“ umfasst sowie ein Geflecht aus Konferenzen, Kampagnen und Auftritten führender Köpfe bei anderen Veranstaltungen wie z.B. Pegida. Die „Compact-Magazin GmbH“ agitiert „aus ihrem Selbstverständnis heraus als politischer Akteur, der zur Erreichung seiner Ziele – etwa dem Sturz der aktuellen Regierung bzw. des ‚Systems‘ – zuerst den Diskurs in seinem Sinne umprägen möchte, um anschließend die erhoffte politische Wende einleiten zu können“, so das BfV in seinem „Lagebild Antisemitismus“ vom Juli 2020.[6]

Ende August haben Facebook und Instagram die Seiten der Zeitschrift offline genommen. Eine Facebook-Sprecherin erklärte: „Wir verbieten Organisationen und Personen, unsere Dienste zu nutzen, wenn sie Menschen aufgrund von Merkmalen wie Herkunft, Geschlecht und Nationalität systematisch angreifen. Daher haben wir das 'Compact'-Magazin von Facebook und Instagram entfernt.“[7]

Der letzte „Compact“-Post auf Instagram zeigte Martin Sellner, Chefdenker der rechtsextremen „Identitären Bewegung“ und „Compact“-Stammautor, auf der beginnenden Corona-Leugner-Demo am 29. August 2020 in Berlin, ohne dessen Namen zu nennen. Zuletzt hatten mehr als 90.000 Menschen die Seite bei Facebook geliked. „Compact“ ist auch auf anderen Plattformen aktiv. Die Videos von „Compact TV“ erreichen auf YouTube oft fünf-, manchmal sechsstellige Abrufzahlen.[8]

Die „Identitäre Bewegung“ (IB) um Martin Sellner bezieht sich auf antiliberale, antidemokratische und antiegalitäre Strömungen aus der Zeit der Weimarer Republik. In Baden-Württemberg existieren die beiden Regionalgruppen IB Baden und IB Schwaben, wobei vor allem letztere aktiv ist.

Im neuen Licht

„Compact“ ist für rechte Verschwörungstheorien bekannt und publiziert oft offen rechtsextreme Texte. Aus der Zeitschrift, die sich lange dem „Querfront“-Spektrum zwischen Friedensmahnwachen und Pegida-Spaziergängen zuordnen ließ, ist inzwischen eine unverhohlen rechtsextreme Publikation geworden – einer der publizistischen Arme des vormaligen „Flügels“ der AfD. Angesprochen werden soll ein breites Spektrum von deutschnationalen oder politik- bzw. parteiverdrossenen Leser*innen. Das „Volk“ wird in „Compact“ häufig als Opfer dargestellt: Es werde von politischen und ökonomischen Eliten bedroht und betrogen, seine angeblichen Feinde seien wahlweise „Gutmenschen“, die Massenmedien, das „angloamerikanische Großkapital“ oder die „Besatzungsmacht“ USA. Zu den Themenschwerpunkten des Blattes gehören Asyl- und Flüchtlingspolitik – in Kombination mit dem Vorwurf an die sogenannten Altparteien, sie seien für den drohenden Untergang Deutschlands verantwortlich. Damit brachte es das 2013 gegründete Monatsmagazin zu einer Auflage von rund 40.000 verkauften Exemplaren. Auf dem Höhepunkt der „Flüchtlingskrise“ verkaufte sich das Magazin 85.000 Mal.[9]

Bundesweit in den Medien erwähnt wurde „Compact“ im Zusammenhang mit der Corona-Leugner-Demonstration am 29. August 2020 in Berlin. Zigtausend Menschen hatte das Demonstrationsbündnis aus „Querdenken“, Impfgegner*innen, „Kommunikationsstelle Demokratischer Widerstand“, Corona-Leugner*innen, Reichsbürger*innen, Holocaust-Leugner*innen, AfD, NPD, III. Weg und „Identitärer Bewegung“ in die Bundeshauptstadt mobilisiert. „Compact“ hatte über Wochen hinweg für die Proteste gegen die Corona-Politik in Berlin getrommelt; der 29. August sei der wichtigste Tag seit 1945, hatte „Compact“ verlauten lassen.[10]

Der Blog „PI-News“

„Es ist zu befürchten, dass uns die staatlich verordneten ‚Corona-Maßnahmen‘ noch für lange Zeit erhalten bleiben werden. Ob sie bei Verfügbarkeit eines Impfstoffes enden oder erst nach dem vollendeten Umbau unseres Staats- und Währungssystems im Zuge einer neuen Weltordnung, bleibt abzuwarten“, war am 7. September 2020 bei „Politically Incorrect“ (PI-News) zu lesen.[11] 

Auf dem Blog mit angeblich 120.000 Besucher*innen täglich sind vorgeblich journalistische Beiträge und erst recht die Kommentarspalten ein „Ort geworden für Doxing, Verunglimpfungen, Beleidigungen und den Hass auf Minderheiten, insbesondere Muslime“, konstatiert die SPD-Landtagsfraktion in einem Antrag zum Thema „Freistaat21 – Bürgerdemokratie in Bayern stärken“ im bayerischen Landtag vom Januar 2020. Weiter schreiben die Antragsteller*innen: „Bisweilen reicht wie im Fall des ermordeten Regierungspräsidenten Walter Lübcke eine Tätigkeit einer Person aus, um dort in den Kommentaren regelmäßig in Erinnerung gerufen zu werden. Die Wut der Szene auf diese Personen wird somit von den Nutzern ungestraft angeheizt und kann Täter zu Straftaten motivieren. Auch werden dort regelmäßig Adressen veröffentlicht, etwa von Personen, die sich für Geflüchtete engagieren. PI-News ist damit letztlich auch als rechte Feindesliste besonderer Sorte anzusehen. Personen, die in den ‚Artikeln‘ besonders hervorgehoben werden, sehen sich Shitstorms bis hin zu Morddrohungen ausgesetzt.“[12]

PI-News ging am 11. November 2004 online. In einer Selbstdarstellung heißt es:

„2004, das war lange vor der Gründung von AfD oder Pegida – das war sogar noch ein Jahr vor dem Amtsantritt der deutschen Verhängnisgestalt Angela Merkel. Seit 2005 begleitet PI-NEWS unerbittlich die Merkel-Ära, derer man sich in der künftigen Geschichtsschreibung Deutschlands einmal, hoffentlich schon bald, schämen wird.“[13]

September 29, 2018 - Garmisch Partenkirchen, Bavaria, Germany - Juergen Elsaesser of Compact Online and Michael Stuerzenberger speaking to a member of the right-extremist Identitaere Bewegung, as denoted by the symbol on the arm. Adding themselves to the who-is-who-list of of several hundred right-extremists from Germany, Austria, Switzerland, and other countries, Tommy Robinson, founder of the British EDL, Lutz Bachmann, grounder of Germany Pegida, and Martin Sellner of the Ide
September 29, 2018 - Garmisch Partenkirchen, Bavaria, Germany - Juergen Elsaesser of Compact Online and Michael Stuerzenberger speaking to a member of the right-extremist Identitaere Bewegung, as denoted by the symbol on the arm. Adding themselves to the who-is-who-list of several hundred right-extremists from Germany, Austria, Switzerland, and other countries, Tommy Robinson, founder of the British EDL, Lutz Bachmann, grounder of Germany´s Pegida, and Martin Sellner of the Identitaere Bewegung were guests as the Compact Konferenz held in the international tourist town of Garmisch Partenkirchen in southern Bavaria. The conferences are held by Juergen Elsaesser, founder of Compact magazine, a publication designed for right-extremists, conspiracy theorists, and right-wing sovereign citizens (Reichsbuerger). The venue was the ironically-named Gasthof zum Rassen, which residents state has hosted numerous, unwanted far-right and right-extreme events in the village. The city government is furthermore relatively quiet about such events, as stated by residents they are afraid tourists will find out. Despite this, a spontaneous demonstration by residents took place

 

Einzelne Autor*innen sind öffentlich bekannt. Einen presserechtlich Verantwortlichen gibt es nicht. PI-NEWS-Autor Michael Stürzenberger, einer der Vielschreiber, gilt als „zentraler Akteur des verfassungsschutzrelevanten islamfeindlichen Spektrums in Bayern“, der seit 2018 mit „vermehrt positiven Äußerungen“ zur rechtsextremen „Identitären Bewegung“ auffällt.[14] Stürzenberger war 2003/2004 Pressesprecher der CSU München bei der Franz Josef Strauß-Tochter Monika Hohlmeier und von 2014 bis 2016 Bundesvorsitzender der rechtsextremen Partei „Die Freiheit“.[15]

Zum PI-News-Autorenkreis zählen unter anderem auch Manfred Rouhs, 1986 Bundestagskandidat für die NPD und später Bundesvorsitzender der 2017 aufgelösten rechtsextremen „Bürgerbewegung Pro Deutschland“[16], und Markus Wiener, der 2016 sein Amt als Vorsitzender des Landesverbandes Nordrhein-Westfalen von „Pro Deutschland“ niederlegte.[17]

Seit dem Jahr 2010 existieren neben der „virtuellen Gemeinschaft“ von „Politically Incorrect“ auch sogenannte PI-Ortsgruppen in Städten und Regionen quer durch die Bundesrepublik, darunter in Freiburg, Heilbronn, Pforzheim und Reutlingen.[18]

Kopp Verlag

Zum Lager der Corona-Leugner zählt auch der Kopp Verlag mit Sitz im schwäbischen Rottenburg am Neckar (Landkreis Tübingen). Das Unternehmen (Verlag, Versandbuchhandlung, Webportal mit Nachrichten) gilt als ökonomisch erfolgreichstes kommerzielles Projekt für eine Popularisierung aktueller und traditioneller Verschwörungsmythen und die Verbreitung rechtspopulistischer und rassistischer Weltsichten. Der Kopp Verlag „wurde mit Ufo-Büchern groß. Dann kam die Flüchtlingskrise. Seither sammeln sich um den Verlag Kosmologen, Rechtsextreme und Verschwörungstheoretiker“, hielt 2017 die Frankfurter Allgemeine Zeitung fest.[19] Kritiker bezeichnen Kopp auch als „Verlag der Impfgegner*innen“.[20] Ein Impfgegner, der auch für Kopp schreibt, ist der Herrenberger Hans Tolzin. Tolzin publizierte bei Kopp bislang sechs Bücher zum Thema, etwa „Die Masern-Lüge“ (2016) oder „Ebola unzensiert“ (2015).

Der Verlag wurde 1993 von dem ehemaligen Polizisten Jochen Kopp gegründet. Heuteveranstaltet er Kongresse für die rechte Szene und verbreitet neben Büchern über Ernährung, Medizin und Esoterik auch solche mit rechtem Gedankengut (z.B. „Albtraum Zuwanderung“ von Udo Ulfkotte), Anti-Antifa-Machwerke (z. B. „Staats-Antifa. Die heimliche Machtergreifung der Linksextremisten“ von Christian Jung) und über Ufo-Verschwörungsmythen. Der Umsatz beträgt bis zu zehn Millionen Euro im Jahr. Etwa 60 Mitarbeiter*innen sind bei Kopp beschäftigt, bis zu 25.000 Bücher versendet der Verlag am Tag. Kopp versorgt auch die Prepper-Szene, die sich auf eine kommende Apokalypse vorbereitet, mit Survival-Ratgebern (z.B. „Der Fluchtrucksack”) sowie Pfeffersprays, Elektroschockern, Schutzwesten oder lang haltbaren „Panzer-Keksen“.[21]

Verlage wie der Kopp-Verlag bedienen den Verschwörungsmythen huldigenden Markt, „bekommen deutlichen Auftrieb und erreichen ein beträchtliches Publikum“, schreibt der Terrorismusexperte Florian Hartleb.

„Antisemitische Klischees, die eine lange Tradition haben“, spielen in diesen Mythen „bis heute eine Rolle und stehen im Mittelpunkt der Diskussion über Verschwörungstheorien“.

Diese äußern sich laut Hartleb unter anderem dahingehend, dass jüdisches Finanzkapital, personifiziert durch Personen wie Bill Gates oder George Soros, die Welt beherrsche, sowie in einer allgemeinen Kapitalismus- und Globalisierungskritik, wonach an der US-amerikanischen Ostküste eine weltbeherrschende jüdische Finanzelite sitzt.[22]

Tagtäglich am Nachmittag, auch am Sonntag, erscheint der „Kopp-Report“. Kopp-Autor*innen greifen in die Tasten, dazu werden Links zu gleichgesinnten Seiten geboten. Am 1. September 2020 ging hier der Artikel über die „Demo in Berlin – wie es wirklich war“ (vom 29. August) des ehemaligen Polizisten Stefan Schubert online. O-Ton Schubert:

„Bei der Nachbetrachtung zu Berlin wird einem jedoch schwer ums Herz, es wird einem bewusst, wie sehr im sonstigen Alltag jegliche Diskussionskultur durch die herrschende Clique im Land zerstört wurde. Dass es einem mittlerweile fast unheimlich ist, seine Meinung vor Unbekannten frei zu äußern, ohne Scheu und der eigenen Schere im Kopf, wann die Diffamierung eines selbsternannten Blockwartes beginnt oder sonstige Zensur im Namen der politischen Korrektheit eines Gehirngewaschenen startet.“[23]

Schubert war 2019 Interviewpartner des rechtsextremen „Deutschen Nachrichtenmagazins ‚Zuerst!‘“. Eingeführt wurde er den Leser*innen mit den Worten: „Seine engen Beziehungen zu Spezialeinheiten, Polizisten und Sicherheitsbehörden verleihen seinen Büchern viel Insiderwissen sowie eine große Authentizität. Zahlreiche seiner Werke waren bereits in der Spiegel-Bestsellerliste Sachbuch vertreten.“[24]

Im Sommer 2020 erschien bei Kopp das Buch „Vorsicht Diktatur!“ von Schubert. Auf dem Buchcover heißt es: „Wie im Schatten von Corona-Krise, Klimahysterie, EU und Hate Speech ein totalitärer Staat aufgebaut wird“. Beworben wurde das Buch u.a. mit Online-Anzeigen auf dem Internet-Portal „PI-News“. In der September-Ausgabe von „Compact“ erschien eine ganzseitige Werbeanzeige für das Buch. Das Machwerk ist ein Mix aus extrem rechtem Gedankengut und apokalyptisch geprägten Verschwörungsmythen: Demnach belegen „geheime Dokumente aus dem Innenministerium (...), dass die Bundesregierung in der Corona-Krise gezielt die Bevölkerung in Angst und Schrecken versetzt hat, um so massive Grundrechtseinschränkungen durchsetzen zu können. Seit Beginn des Jahres 2020 wurden die Bürger gezielt von Politik und Medien mit apokalyptischen Horrorszenarien konfrontiert. Die tägliche Veröffentlichung der Corona-Todeszahlen glich einer Kriegsberichterstattung. (...) Das Überwachungssystem, das die Bundesregierung im Schatten der Corona-Krise am Parlament vorbei und ohne jegliche gesellschaftliche Debatte beschlossen hat, erinnert an Kontrollsysteme totalitärer Staaten. (...) Dabei stellen die Corona-Maßnahmen der Bundesregierung nur einen Bereich dar, um die Freiheitsrechte der Bürger einzuschränken. Auch im Zuge der Migrationsdebatte, der Klimahysterie, des EU-Zentralismus und des zur Staatsdoktrin erhobenen ‚Kampfes gegen Rechts‘ werden im Grunde Sprech- und Denkverbote mit ständig neuen Gesetzen durchgesetzt. Die offene Ermutigung zur Denunzierung und die bisweilen brutale Ausgrenzung Andersdenkender lassen das typische Gebaren totalitärer Regime erkennen. Und aufgrund der Vorgaben der Politik bekämpfen Justiz und Sicherheitsbehörden, wie der Verfassungsschutz und das BKA, nicht mehr nur Kriminelle, Gewalttäter und Terroristen, sondern regierungskritische Bürger und Medien.“

Zu den Buchautoren im Kopp Verlag zählt auch Helmut Roewer. Er war von 1994 bis Herbst 2000 Präsident des Thüringer Inlandsgeheimdienstes. Roewer wird ein Teil des Staats-Versagens im Fall der Mordserie des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU) angelastet: Das NSU-Kerntrio stammte aus dem thüringischen Jena und konnte problemlos unter den Augen des Verfassungsschutzes untertauchen. Seit seiner Suspendierung tritt Roewer offen in den Kreisen der extremen Rechten als Referent („Alte Breslauer Burschenschaft der Raczeks zu Bonn“) und als Autor („Compact“) auf.[25] Der Titel seines 2020 bei Kopp erschienenen Buches lautet „Spygate: Der Putsch des Establishments gegen Donald Trump“.

Auch Roewer sieht sich auf seinem Blog bemüßigt, sich in primitivster Weise zu Corona zu äußern: „Der Genosse Lauterbach kündigt an, Karneval ausfallen zu lassen. Das ist konsequent in Zeiten, wo ohnehin jeder eine Maske tragen muss. (...) Wg. Corona: Schon wieder ein Toter. Er starb in Sachsen-Anhalt im Alter von 91 Jahren.“[26]

Der Rechtsextremismus-Experte Matthias Quent, Gründungsdirektor des Instituts für Demokratie und Zivilgesellschaft in Jena, bezog in einem Interview mit dem Südwestrundfunk (SWR) Stellung zu Kopp:

„Der Verlag hat klare Bezugspunkte ins rechte und rechtsradikale Milieu. Hinsichtlich seiner Autoren. Hinsichtlich vor allem aber der Themen, die der Verlag bespielt, und hinsichtlich der Stimmung, die er erzeugt. Man kann nicht einerseits sich mit seinem Verlagsprogramm an der Delegitimierung der Demokratie beteiligen, von der vor allem populistische und radikale Rechte profitieren, und andererseits so tun, als hätte man dafür keine Verantwortung. Das ist schizophren.“[27]

Für Quent trägt der Kopp Verlag dazu bei, das Vertrauen in Demokratie und Aufklärung zu zerstören: „In meiner Wahrnehmung hat sich der Kopp Verlag so schleichend normalisiert, er ist immer größer geworden. Er ist nicht wirklich auf dem Radar der Öffentlichkeit. Er wurde kaum groß problematisiert, einige wenige Artikel ausgenommen, auch deswegen, weil der Kopp Verlag und seine Autoren sehr schnell dabei sind, auf kritische Öffentlichkeiten draufzuhauen. Mit eben der Lügenpresse-Keule oder mit anderen Vorwürfen. Und so hat sich der Kopp Verlag letztlich jenseits der großen kritischen Öffentlichkeit ein eigenes Imperium aufbauen können.“[28]

Der Kopp Verlag ist nach Einschätzung des SWR ein „publizistisches Imperium“, das „alle vereint, denen Ideologie wichtiger ist als Aufklärung. Ein Imperium, das Zweifel an den Werten unserer Demokratie sät und zur Spaltung der Gesellschaft beiträgt. Was genau Jochen Kopp dabei antreibt, ist nicht bekannt. Doch eines ist nach der Auseinandersetzung mit dem Verlag klar: Mit der im Grundgesetz garantierten Meinungsfreiheit macht er ein gutes Geschäft. Rechtspopulisten und Verschwörungstheoretiker haben bei ihm eine Plattform.“[29]



[1] Vgl. dazu: Dworschak, Manfred: Orgien des Beleidigens. In: Der Spiegel, 10/2020, S. 106f.

[6] BfV: Lagebild Antisemitismus. Köln 2020, S.34 (aufgerufen am 01.08.2020)

[8] ebd.

[10] ebd.

[12] SPD-Antrag zum Thema „Freistaat21 – Bürgerdemokratie in Bayern stärken“ im bayerischen Landtag, Drucksache 18/5903 vom 29. Januar 2020, S. 4

[14] Verfassungsschutzinformationen Bayern, 1. Halbjahr 2019 (aufgerufen am 15.08.2019)

[16] Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2010, S. 42, Verfassungsschutzbericht Berlin 2015, S. 110

[17] Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2016

[18] http://www.pi-news.net/pi-gruppen/ (aufgerufen am 08.09.2020)

[19] Soldt, Rüdiger: Neues aus Hohlerde. in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 23. Februar 2017, S. 3

[22] Hartleb, Florian: Einsame Wölfe. Der neue Terrorismus rechter Einzeltäter. Hamburg 2018, S. 193f.

[24] Interview mit Stefan Schubert. In: „Zuerst!“, 10/2019, S. 28ff.

[27] Manuskript: „Hetze, Angst, Verschwörungsmythen – Der Kopp Verlag“. Autoren Judith Brosel, Moritz Kluthe, Christian Kretschmer, Thomas Simon. SWR2 Wissen vom 09.12.2019. Manuskript und Audiodatei abrufbar unter https://www.swr.de/swr2/leben-und-gesellschaft/swr2-wissen-2019-12-09-1… (aufgerufen 08.09.2020)

[28] ebd.

[29] ebd.