Sammlungsbewegung der Umweltfrevler

Dossier

Die AfD versucht seit 2019 verstärkt, sich auch mit Umweltthemen zu profilieren. Dass rechte Parteien naturnahes Leben auf deutscher Scholle und in deutschem Wald idealisieren, hat ja als „Heimatschutz“ eine gewisse Tradition. Allein: Bei der AfD ist nicht Liebe zur Natur spürbar, sondern allenfalls Nostalgie. Ihr Hauptproblem ist, dass sie sich darauf festgelegt hat, als einzige in Parlamenten vertretene Partei Deutschlands den menschengemachten Klimawandel abzustreiten. Mit einer gewissen Logik macht sie sich daher zur Lobby für Kohle, Öl und Atom und bekämpft die Erneuerbaren Energien, vor allem die Windkraft. Im Diesel-Skandal beklagt sie den „Diesel-Mord im Ökowahn“[1] und polemisiert gegen Elektromobilität. Die Partei greift Umwelthemen auf, aber fast immer treffsicher als destruktive Anti-Öko-Kraft. Es geht ihr nicht um Natur-, Umwelt- oder Gesundheitsschutz, sondern darum, Empörung zu inszenieren.

Klimaschutzleugner-Konzept als sterbender, kranker Baum, der als menschlicher Kopf mit einer langen Nase als Umweltmetapher für die Desinformation der Erderwärmung mit 3D-Illustrationselementen geformt wurde.

Niemand denkt an Natur- oder Umweltschutz, wenn von der AfD die Rede ist. Im Gegenteil: Die Rechtspartei steht konsequent fast immer auf der Seite der Umweltfrevler, wenn sie sich überhaupt zu Ökothemen äußert. 

In ihren ersten Jahren wurde die AfD vor allem als neoliberale Anti-Euro- und Anti-Europa-Partei wahrgenommen. Seit 2015 ist sie vor allem die Anti-Flüchtlingspartei, in letzter Zeit muss man sie verstärkt als rechtsradikale und rassistische Gruppierung wahrnehmen.

AfD macht Kampf gegen Klimaschutz zu ihrem „dritten großen Thema“

In dem internen Strategiepapier „AfD-Manifest 2017“[2] des Bundesvorstands listet die Partei neun Politikfelder auf, bei denen ihr Kompetenz in der Gesellschaft zugesprochen werde. Da tauchen neben Zuwanderungsfragen und Islam-Gegnerschaft auch die nationale Identität und der Kampf gegen die Kriminalität auf, aber kein einziges Umweltthema. Auch in jenen Bereichen, in denen sich der Bundesvorstand mehr Profil wünscht, ist Umweltpolitik nicht zu finden. Festgehalten wird in dem Papier aber auch: „Die kontinuierliche Auswertung der Meinungsforschung in Bezug auf Themen und Stimmungen ist unerlässlich.“ Und siehe da: Seitdem Klima- und Umweltpolitik in der Gesellschaft wieder einen höheren Stellenwert einnehmen, hat sich auch die Rechtspartei Ökothemen verstärkt vorgenommen.

Mitte Juli 2019 verabschiedeten die umweltpolitischen Sprecher der AfD-Landtagsfraktionen und der Bundestagsfraktion auf der zweiten Umweltkonferenz der Partei eine „Dresdner Erklärung“, die wohl eine Art Ökoprogrammatik darstellen soll.[3] „Wir produzieren ehrlichen Umweltschutz im Gegensatz zu den Grünen“, sagte der klimapolitische Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion Karsten Hilse bei der Vorstellung des Papiers.[4] Eine Öffnung der Partei für ökologische Fragen findet man an keiner Stelle des substanzfreien Werks. Allenfalls sehr reaktionäre und nationalistische Teile der Naturschutzbewegung könnten sich von der „Dresdner Erklärung“ angezogen fühlen, wenn etwa betont wird, dass Naturschutz auch Heimatschutz sei.

Hauptzweck der Erklärung dürfte gewesen sein, eine klarere Positionierung gegen die stark wachsende Fridays for Future-Bewegung auf den Weg zu bringen. Die AfD leugnet weiter die menschengemachten Ursachen der Klimakrise: „Der Einfluss des Spurengases CO2 ... ist nirgendwo und über keinen Zeitraum ... nachzuweisen“, heißt es gleich am Anfang des Papiers. In einem Detail aber gibt es bei der Rechtspartei eine neue Gewichtung: Der politische Schwerpunkt wird nun auf die Ablehnung der Maßnahmen für den Klimaschutz gelegt. „Die getroffenen und geplanten Maßnahmen ... sind teuer, nutz- und wirkungslos“.

Zwei Monate später, im September 2019, kündigte AfD-Chef Alexander Gauland an:

„Die Kritik an der sogenannten Klimaschutzpolitik ist nach dem Euro und der Zuwanderung das dritte große Thema für die AfD“, sagte er der Welt am Sonntag. Seine Partei habe hierbei ein Alleinstellungsmerkmal.[5]

Seltsames Klima bei der AfD

Mit dem Klimaschutz hat die AfD seit ihrer Entstehung gefremdelt. Die Klimawandel-Leugnerei war aber in den Anfangszeiten der Partei noch kein Konsens. In der taz vom 27. September 2013 wird AfD-Gründungschef Bernd Lucke zitiert, wie er auf einer Pressekonferenz einem Klimawandelleugner aus der AfD-Energie-Arbeitsgruppe widerspricht. Das sei dessen „persönliche Meinung“, die Partei hingegen stelle wissenschaftliche Evidenzen für CO2 als Klimakiller nicht grundsätzlich in Frage.[6] Tempi passati. Beim wichtigsten Zukunftsthema der nächsten Jahrzehnte hat sich die Rechtspartei inzwischen in eine völlige Anti-Haltung begeben. Die Position schwankt nur noch zwischen absoluter Leugnung des Klimawandels und der Verneinung menschlicher Verantwortung für die offensichtlichen Veränderungen.

Im baden-württembergischen Landtagswahlprogramm 2016 heißt es: „Die Politik hat den Klimawandel zu einer menschengemachten Klimakatastrophe hochstilisiert.“[7] Im Bundestagswahlprogramm 2017 behauptet die Partei: „Die Aussagen des Weltklimarats (IPCC), dass Klimaänderungen vorwiegend menschengemacht seien, sind wissenschaftlich nicht gesichert. Sie basieren allein auf Rechenmodellen, die weder das vergangene noch das aktuelle Klima korrekt beschreiben können.“[8] Und gar ins Grundsatzprogramm hat es folgende Aussage geschafft: 

„CO2 ist kein Schadstoff, sondern ein unverzichtbarer Bestandteil allen Lebens. ... Je mehr es davon gibt, umso kräftiger fällt das Pflanzenwachstum aus.“[9]

Ähnliche Postulate ziehen sich sowohl durch alle programmatischen Festlegungen der Partei als auch durch die Stellungnahmen der führenden Parteifunktionär*innen.

Das sind gewagte Aussagen angesichts des sichtbar schmelzenden Poleises, ständiger Temperaturrekorde, brennender Wälder und sich häufender Wetteranomalien. Gerade hat Europa den wärmsten Winter seit Beginn der Messungen hinter sich, schon im April stieg wegen anhaltender Trockenheit die Waldbrandgefahr, Bauern fürchteten heftige Auswirkungen der Dürre für die Landwirtschaft.

Vor allem aber sind es falsche Aussagen, die sich gegen den weitreichenden Konsens der Wissenschaften[10] wenden. Der IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change, deutsch: Weltklimarat) hat den weltweiten Forschungsstand zum Klimawandel in seinen Sachstandsberichten zusammengetragen. 99 Prozent der Wissenschaftler*innen, die Fachaufsätze zum Klimaschutz veröffentlichten, gehen davon aus, dass die Erderwärmung durch den Menschen verursacht ist.[11]

Und schließlich sind es Aussagen, die so weltfremd sind, dass sie der Partei auch bei etlichen ihrer eigenen Sympathisant*innen Probleme bringen werden: Auch bei den AfD-Anhänger*innen sieht eine deutliche Mehrheit von 60 Prozent einen Einfluss der Menschheit auf das Klima – und stellt sich damit gegen die Aussagen der eigenen Partei.[12] Die von Gauland geführte Bundestagsfraktion hat Ende 2019 einen Antrag im Parlament eingebracht, nach dem Deutschland alle Klimaschutzziele aufgeben und alle Programme zur CO2-Reduktion stoppen soll. Die Regierung solle die Klimaschutzpolitik vollständig revidieren und „alle diesbezüglichen Gesetze, Verordnungen und sonstigen Vorschriften“ beenden. Zudem sei aus sämtlichen nationalen und internationalen Verpflichtungen auszusteigen.[13] Im Parlament gab es dafür keine Unterstützung – und auch die öffentliche Resonanz war sehr mäßig. Das „dritte große Thema“ kommt nicht recht in die Gänge.

EIKE

Für ihre Klima-Ideologie kann die AfD keine hochkarätigen Klimawissenschaftler*innen ins Feld führen, die ihre Weltsicht teilen.

Ihre Hauptstütze in argumentativer Hinsicht ist vielmehr das „Europäische Institut für Klima & Energie e.V.“(EIKE e.V.). Der Begriff „Institut“ suggeriert, dass EIKE eine wissenschaftliche Einrichtung sei. Es handelt sich dabei aber lediglich um einen eingetragenen Verein, der seit 2007 besteht und als wichtigste Stimme der deutschen Klimaleugner-Szene gilt.

EIKE-Vizepräsident Michael Limburg ist nach eigenen Angaben seit 2013 Mitglied in der AfD.[14] Im AfD-Bundesfachausschusses Energiepolitik (BFAE) haben EIKE-Mitarbeiter*innen beträchtlichen Einfluss auf die Energie- und Klimapolitik der Partei. EIKE-Vertreter*innen gelingt es in Deutschland lange nicht so erfolgreich wie ihren US-amerikanischen Mitstreiter*innen, in seriösen Medien als unabhängige und ernstzunehmende Wissenschaftler*innen aufzutreten und so Zweifel an den wissenschaftlichen Erkenntnissen zu säen. Ihre Hauptwirkung entfalten die Klimaleugner*innen wahrscheinlich in den Stimmungs-Medien der rechten „Gegenöffentlichkeit“, die sich offen gegen den rationalen Mainstream stellen.

EIKE arbeitet nach einem ähnlichen Muster wir die US-Lobby-Organisationen „Heartland Institute und Committee for a Constructive Tomorrow“ (CFACT) sowie ähnlichen internationalen Klimaleugner-Organisationen. Kenner*innen der Klimaleugner-Szene gehen davon aus, dass CFACT jahrelang von Konzernen der Ölindustrie finanziert wurde.[15] Wie EIKE e.V. seine teilweise aufwändigen Aktivitäten finanziert, ist unklar. Der Verein legt seine Finanzierung nicht offen.[16]

AfD und Atom

EIKE und die AfD lehnen die Energiewende strikt ab und lobbyieren für die Atomenergie. Nachdem nicht nur SPD und FDP, sondern auch die CDU sich in Deutschland nach den Katastrophen in Tschernobyl und Fukushima von ihren atomfreundlichen Positionen verabschiedet und den Atomausstieg beschlossen hatten, konnte die AfD leicht das freigewordene Label der deutschen Atompartei übernehmen.

Im baden-württembergischen Landtagswahlprogramm forderte die Partei 2016 „ein 10-jähriges Moratorium zur Beibehaltung des bestehenden Energiemixes“.[17] Das hätte nicht nur den Stillstand beim Ausbau umweltfreundlicher Energien bedeutet, auch ein Kohleausstieg wäre dann nicht mehr möglich gewesen.

Vor allem aber sollte damit der Atomausstieg im Südweststaat verhindert werden. Block 2 des AKW Philippsburg wäre nicht 2019 vom Netz genommen worden und das Aus für Neckarwestheim II im Jahr 2022 stünde ebenfalls zur Debatte.

Im Grundsatzprogramm der Partei heißt es: „Die überhasteten Ausstiegsbeschlüsse aus der Kernkraft von 2002 und 2011 waren sachlich nicht begründet und wirtschaftlich schädlich.“ Und: „Solange die Stromversorgung am Ort und zur Zeit der Nachfrage nicht gesichert ist, setzt sich die AfD dafür ein, eine Laufzeitverlängerung der noch in Betrieb befindlichen Kernkraftwerke übergangsweise zu gestatten.“[18] Im Europawahlprogramm schließlich spricht sich die Partei für internationale Kooperation bei der Forschung zur Kernfusion aus: „Bi- und multilaterale Forschungsprojekte zwischen einzelnen Staaten, wie sie bei CERN, ITER oder Wendelstein7X erfolgreich exerziert werden, sollen Leitbildcharakter für andere Großprojekte haben.“[19] Dass die genannten Projekte bisher vor allem Gräber für Milliardensubventionen sind, verschweigt die AfD. Auch dass selbst deren Befürworter nicht damit rechnen, dass in den nächsten Jahrzehnten damit Energie gewonnen werden kann, sagen die Atomfans nicht.

Da ein beträchtlicher Teil der potentiellen AfD-Wähler*innen gegenüber der Atomenergie zumindest skeptisch sein dürfte, vertritt die Partei ihre Pro-Atom-Politik nicht sehr lautstark nach außen. Im Bundestag organisierte die Partei eine Anhörung zur Energiepolitik, bei der sie sich für die Dual-Fluid-Reaktorlinie stark machte. Da trifft sie sich immerhin mit dem CDU-Rechten Friedrich Merz und einigen anderen Atom-Nostalgikern aus der Union.[20] Und was am Rande noch auffällt: Wenn die Atomfans in der AfD über die Vorteile der „Kernkraftwerke“ sprechen, dann bringen sie schon mal das Argument, dass „von ihnen so gut wie keine CO2-Emissionen ausgehen“, so der energiepolitische Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion Steffen Kotré.[21] Eigentlich müsste das in der AfD-Logik eher gegen die Atommeiler sprechen, da die Pflanzen dann ja weniger CO2 fürs Wachstum bekommen.

Erneuerbare sind ganz böse

Gegen wenig wütet die Rechtspartei – abgesehen von ihren Anti-Euro- und Anti-Migrationstiraden – so ausgiebig wie gegen die Erneuerbaren Energien. Im baden-württembergischen Landtagswahlprogramm taucht dieser Politikbereich gleich dreimal hervorgehoben auf: Die Partei fordert den „Abbau der EEG-Subventionen“, der Zubau der Erneuerbaren Energien müsse sich an „physikalischen und ökonomischen Tatsachen orientieren, und der „Bau von Windkraftanlagen in dicht besiedelten Gebieten“ sei zu beenden.[22] Im Grundsatzprogramm findet die Partei noch klarere Worte: „Die AfD tritt daher dafür ein, das EEG ersatzlos abzuschaffen“.[23] Auch die Energieeinsparverordnung (EnEV) und das Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz will die AfD streichen. Alle drei zentralen Elemente der Energiewende wären damit zerstört.

Die Anti-Erneuerbare-Positionen können wohl auch die Klimawandel-Leugner*innen von EIKE als Erfolg verbuchen. Noch im Bundestagswahlprogramm 2013 war die AfD zwar für eine Reform des EEG, nicht aber gegen die Subventionierung der Erneuerbaren Energien eingetreten: „Wir fordern eine Reform des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes (EEG). ... Wir fordern, dass Subventionen für erneuerbare Energien stattdessen aus dem allgemeinen Steueraufkommen finanziert werden“,[24] hieß es damals.

Bild entfernt.Zwei kleinere Probleme hat die AfD dabei: Fast die gesamte Bevölkerung befürwortet den Umbau des Energiesystems ausdrücklich: Neun von zehn Bürger*innen (89 Prozent) sind nach einer repräsentativen Umfrage im Sommer 2019 für eine stärkere Nutzung der Erneuerbaren Energien in Deutschland. 66 Prozent gaben sogar an, dass die stärkere Nutzung und der Ausbau der EE sehr oder außerordentlich wichtig seien.[25]

AusbauErneuerbareEnergien
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Problem Nummer 2 der AfD: Die Erneuerbaren gewinnen den ökonomischen Wettbewerb gegen Atom und Kohle. Schon 2015 stellte eine Prognos-Studie fest, dass neue Wind- und Solarkraftwerke Strom zu bis zu 50 Prozent niedrigeren Erzeugungskosten liefern können als neue Kernkraftwerke oder Kohlekraftwerke mit Kohlendioxidabscheidung und -speicherung (Carbon Capture and Storage, CCS).[26] Und: Während AKW und Kohlekraftwerke immer teurer werden, sinken die Kosten für Wind- und Photovoltaikstrom in großer Geschwindigkeit.

Richtig landen konnte die Partei mit ihren Anti-Erneuerbaren-Kampagnen bislang nicht, nicht mal mit ihrem Lieblingsfeind Windkraft. Hier versucht die Partei immer wieder, bei den Windkraftgegner*innen anzukommen, unter denen viele sich um Naturbelastungen sorgen, die mit dem Ausbau der Windanlagen einhergehen können. Ein beträchtlicher Teil der parlamentarischen Anfragen der AfD-Fraktion im baden-württembergischen Landtag dreht sich um Windkraftplanungen.

In ihrer „Dresdner Erklärung“ setzen die AfD-Umweltpolitiker*innen sogar noch eins drauf. Dort fordern sie nicht nur „einen konsequenten Ausbaustopp von Windkraft- und Photovoltaikanlagen in unseren heimischen Wäldern und auf landwirtschaftlichen Flächen“, sondern auch die Einstellung des Baus von Windkraftanlagen auf See. Zudem wollen sie gesetzliche Bestimmungen für den „vollständigen Rückbau von Windkraftanlagen“ durchzusetzen.[27] Die Ablehnung von Windenergieanlagen durch Bürgerinitiativen kann in Einzelfällen an tatsächlichen Problemen ansetzen. Auch die Umweltverbände und die grüne Partei sind nicht für jedes Windrad, weil jeder Bau in einer Gesamtbetrachtung beurteilt werden muss. Zwischen jenen, die Belange des Naturschutzes gegen ein konkretes Projekt ins Feld führen, und jenen, die Windkraftanlagen per se ablehnen, weil sie die Energie lieber aus Kohle und Atom gewinnen wollen, besteht aber ein gewaltiger Unterschied. Die Natur- und Umweltzerstörung durch eine katastrophale Klimaentwicklung wäre unvorstellbar größer als die Beeinträchtigungen durch einzelne Windanlagen. Nur vor dem Hintergrund der Klimaleugner-Ideologie kann man heute Erneuerbare-Energie-Anlagen pauschal ablehnen. Auch der AfD-Kampf gegen die Windmühlen hat im Übrigen deutlich weniger Rückhalt, als es die Rechtspartei sich wünscht.

Bild entfernt.Nicht nur allgemein, sondern auch in der Nähe des eigenen Wohnorts befürworten deutliche Mehrheiten in der Bevölkerung Anlagen für Erneuerbare Energien; bei Windenergie steigt die Zustimmung sogar, wenn die Anlage in der eigenen Nachbarschaft bereits in Betrieb ist. Kurz: Die schweigende Mehrheit gegen die Windkraft gibt es nicht. Wenn die AfD gerne ruft: „Wir sind das Volk“, dann ist das einfach gelogen.

Fossil ist geil

„Die Stromerzeugung muss sicher, kostengünstig und umweltverträglich sein. Dieser Dreiklang war im deutschen Energieversorgungs-System immer gegeben, wurde aber mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) aufgegeben“, behauptet die AfD in ihrem Grundsatzprogramm.[28]

HoheZustimmungErneuerbareEnergien
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Der Rückgriff auf die früheren „goldenen Zeiten“ mag die nostalgische Klientel erfreuen, mit der Realität hat er aber nichts zu tun. Der Energiemix zur Stromerzeugung zur Jahrtausendwende 2000 bestand aus 30 Prozent Atomkraft, 51 Prozent Kohle und 10 Prozent Erdgas und Erdöl.[29] Heute haben diese drei Energieträger zusammen nur noch einen Anteil von 45 Prozent.[30] AKW waren zudem nie sicher oder umweltverträglich – und schon gar nicht kostengünstig, sondern hochsubventioniert. Kohle und Öl als umweltfreundliche Energieträger zu bezeichnen ist nur einer Partei möglich, die in Sachen Klima alles leugnet, was die Wissenschaft herausgefunden hat.

Angesichts dessen, dass in Deutschland im ersten Halbjahr 2020 bereits 55 Prozent des erzeugten Stroms aus Erneuerbaren Quellen stammten, ohne dass die Stromversorgung irgendwann ernsthaft gefährdet war, kollidieren die Aussagen der Rechtspartei arg mit der realen Entwicklung. Politisch relevant wird ihre Grundsatzposition beim Kohleausstieg. Wie nicht anders zu erwarten, stellte die AfD im Bundestag den Antrag, das Ausstiegsgesetz zu stoppen und die Vorschläge der Kohlekommission fallen zu lassen. Hauptargument: die fehlende Versorgungssicherheit.

In den Demonstrant*innen im Hambacher Forst sieht die AfD NRW „vermummte Öko-Hooligans, kreischende Fanatiker und organisierte Gewalt“ in einem „rechtsfreien Raum“ am Werk.[31] Die Partei, die sich bei jedem Windrad in Waldgebieten zum Anwalt des „deutschen Waldes“ aufschwingt, stellte sich bei den Rodungsabsichten im Hambacher Forst selbstredend auf die Seite des RWE-Konzerns.

In Baden-Württemberg versucht die AfD mit mäßigem Erfolg, sich zur Interessenvertreterin der Belegschaft des landesweit größten Kohlekraftwerks GKM in Mannheim zu machen. Anlässlich eines Besuchs einer Delegation aus AfD-Landtagsabgeordneten und -Kommunalpolitiker*innen aus der Region im November 2019 ließ die Partei verlauten, sie werde „sämtliche politischen Spielräume nutzen, um den Zusammenbruch der Stromversorgung Deutschlands auf Grund der wahnwitzigen ‚Energiewende‘ zu verhindern“.[32]

Fracking

Die Nähe der AfD zur fossilen Welt beweist sie auch mit einer grundsätzlich positiven Haltung zum Fracking. „Sollten die Risiken beherrschbar erscheinen, wollen wir Fracking entwickeln und mögliche Standorte erkunden lassen“, schreibt die Partei in ihrem Grundsatzprogramm.[33] Das Umweltbundesamt kommt in der Studie „Umweltauswirkungen von Fracking bei der Aufsuchung und Gewinnung von Erdgas aus unkonventionellen Lagerstätten“ zu dem Ergebnis: „Nach aktuellem Erkenntnisstand kann die Möglichkeit großräumiger, dauerhafter und irreversibler nachteiliger Auswirkungen solcher Vorhaben auf die Trinkwasserversorgung und den Naturhaushalt nicht von der Hand gewiesen werden.“[34] Natur- und Heimatschutz sind für die Rechtspartei offenbar nur dann Werte, wenn sie in ihr sonstiges Weltbild passen. Wenn es um Möglichkeiten geht, mit fossilen Techniken Geld zu machen, kann die Partei also sogar ganz „modernen“ Technologien etwas abgewinnen. Der Wald und der Landschaftsschutz spielen plötzlich keine Rolle – auch die Gefährdung des Grundwassers ist dann zweitrangig.

„Dieselmord im Ökowahn“

So heißt ein Film, den die AfD-Bundestagsfraktion 2019 hat erstellen lassen. Auch hier wieder dasselbe Leitmotiv: Die AfD findet die vorhandene Technik so toll, dass sie sich gegen mögliche Veränderungen stellt – nicht ohne den naheliegenden Hintergedanken, sich damit bei einem Teil der Auto-Fangemeinde anzubiedern. Als die Betrügereien von VW & Co. aufflogen, war die AfD die Partei, die für den Umweltfrevel am meisten Verständnis aufbrachte. 

Bild YouTube Dieselmord

Als im Internet die Gruppe „Fridays for Hubraum“ als halb-ironisch gemeinte Antwort auf Fridays for Future entstand und innerhalb weniger Tage über eine halbe Million Mitglieder verzeichnen konnte, musste der Gründer die Gruppe nach wenigen Tagen sperren, um dem Ansturm von AfDler*innen und noch rechteren Interessent*innen zu begegnen. „Mit rechter Hetze wollen wir nichts zu tun haben, das geht gar nicht“, sagte er der WELT.[35] Ganz ähnlich in Stuttgart: Gegen das dortige Diesel-Fahrverbot hatte sich eine Gruppe gebildet, die mehrere öffentliche Demonstrationen organisierte. Auch hier versuchten AfD und andere Rechtsaußen, sich anzubiedern und dem Protest ihren Stempel aufzudrücken. Als der Initiator, der 26-jährige IG-Metaller J. S., sich von solchen Unterstützer*innen klar distanzierte, nahm ihn die rechte Postille PI-News prompt aufs Korn. Für seinen Aufruf: „Wir grenzen uns ganz klar von den Rechten ab! Wir wollen euch nicht dabei haben!“ habe er „einen Betriebsratsposten bei der IG-Metall in Aussicht gestellt“ bekommen.[36] Hier sei ein „Strohmann eingesetzt“ worden, „um die Wut des Volkes zu kanalisieren“.[37] Mit dem Versuch, Stimmungen in der Bevölkerung zu kapern, hatte die Partei jedenfalls nur mäßigen Erfolg. Eigene Demonstrationen der AfD blieben von der Öffentlichkeit weitgehend unbeachtet. Nur der harte Kern der AfD und der rechtsextremen Szene um das „Zentrum Automobil“ folgten diesen Aufrufen.

Ähnlich ging es der AfD beim Versuch, ihr genehme Wissenschaftler*innen zu instrumentalisieren. Anfang 2019 machte ein Brief von 100 Lungenfachärzt*innen um Dieter Köhler Furore. Darin wurden die Grenzwerte für Stickoxide und Feinstaub als willkürlich angeprangert. Der Stuttgarter Bundestagsabgeordnete Dirk Spaniel, damals verkehrspolitischer Sprecher der AfD-Fraktion, erklärte dazu: „Dem Pneumologen Professor Köhler ist unumschränkt zuzustimmen. Es wäre gut, wenn seine Aussagen endlich in der Politik ankämen, um auf dieser Basis vernünftige Entscheidungen zu treffen.“[38] Pech nur, dass wenige Tage später durch eine Recherche der taz[39] aufgedeckt wurde, dass Köhler in seiner Stellungnahme Stickstoffdioxid (NO2) und Stickoxide (NOx) verwechselt und sich zudem Rechenfehler geleistet hatte. Köhler gab die Fehler zu, blieb aber bei seiner Kritik an der Luftreinhaltepolitik. Der Hype um den Lungenfacharzt war nach der Veröffentlichung aber vorbei. Die AfD hatte sich gewaltig mit blamiert, weil sie gerade über jene Teile in der Stellungnahme Köhlers gejubelt hatte, die sich als falsch herausstellten.[40]

Gegen Weltverbesserer-Quatsch

Das Leugnen der Nachteile der Diesel-Technologie geht bei der Rechtspartei einher mit der Verteufelung der alternativen Antriebe. Dirk Spaniel, Ex-Chef der baden-württembergischen AfD-Landesgruppe im Bundestag und bis Anfang 2020 Co-Landessprecher, brachte es auf den Punkt: „E-Mobilität ist nichts anderes als die Rückkehr zum Pferd.“[41] Auf seiner Facebook-Seite schreibt er: „Wir werden dieses Mantra wiederholen und wiederholen, bis selbst der Letzte es begriffen hat: ‚Die AfD kämpft für eure Jobs! Zur Hölle mit der E-Mobilität, dem CO2-Gefasel und dem ideologischen Weltverbesserer-Quatsch! Erst einmal kommen unsere Arbeitsplätze!‘“[42] Dass es genau diese Haltung ist, die die Arbeitsplätze in Wirklichkeit gefährdet, haben selbst die meisten Automanager*innen inzwischen – wenn auch sehr spät – erkannt. Wenn der Kfz-Weltmarkt sich von fossilen Antrieben verabschiedet und auf Elektromobilität orientiert, dann kann eine Branche, die zu 78 Prozent für den Export produziert, nur bei Strafe des Untergangs weiter auf Alt-Technologien setzen.[43] Dass der Verkehr in Deutschland für ein Fünftel des CO2-Ausstoßes verantwortlich ist und im Gegensatz zu fast allen anderen Bereichen keine Reduktionen vorzuweisen hat, ficht die AfD logischerweise nicht an. Für sie gibt es ja kein Treibhausgas-Problem beim Klimawandel. Auch in der Verkehrspolitik ist die Botschaft eindeutig: Klima und Umwelt sind der Rechtspartei reichlich egal, Gesundheitsschutz durch Umweltauflagen betreiben für sie „grüne Grenzwert-Ideologen“.[44]

Eine Verkehrspolitik im klassischen Sinn hat die Partei sowieso nicht vorzuweisen. Im Verkehrs-Faltblatt der Bundespartei heißt es: „Eine ideologisch geleitete Verkehrspolitik, die bestimmte Verkehrsmittel bevorzugt oder diskriminiert, z.B. Benachteiligung von Dieselfahrzeugen, lehnt die AfD ab.“ Und: „Wir wenden uns auch gegen ein flächendeckendes Tempolimit und erfolglose Umweltzonen.“ Der Rest sind allgemeine Aussagen wie „wir fordern ein bundesweites Konjunkturprogramm Infrastruktur“[45], mit denen alles Mögliche gemeint sein kann.

Etwas konkreter wurde die AfD-Landtagsfraktion Baden-Württemberg im Sommer 2020: Da stellte der Fraktionsvorsitzende Bernd Gögel in Anwesenheit der Landesvorsitzenden Alice Weidel „das alternative Verkehrskonzept“[46] vor. „Damit strafen wir alle Lügen, die immer nur meinen, dass die AfD gegen alles sei und keine eigenen politischen Konzepte vorlege“[47], sagte Gögel.

In der Pressemitteilung heißt es:Das Verkehrswegekonzept sieht vor allem den Ausbau dreier Autobahnen vor: der Nord-Ost-Autobahnumfahrung von Stuttgart, der Ost-West-Autobahn-Verbindung von Freiburg nach München und der Anbindung von Lörrach über Konstanz an die A 96.“[48] Daneben steuert die Rechtspartei die Idee bei, zwischen Mannheim, Stuttgart und Ulm eine Transrapid-Magnetschwebebahn-Strecke zu bauen. Als besondere Idee begeistert sich die AfD für ein unterirdisches Warentransportsystem.

Der baden-württembergische Verkehrsminister Winfried Hermann kommentierte das Konzept als „Überschlag rückwärts“. Die vorgeschlagene Ost-West-Autobahn quer durch den Schwarzwald „ist vor Jahrzehnten schon von den Bürgern gestoppt worden“, zitiert ihn der SWR. Der Transrapid von Mannheim nach Ulm sei eine „unsinnige Doppelinvestition“, da es hier bereits eine Schnellbahntrasse gebe.[49]

Nicht nur in Baden-Württemberg, sondern bundesweit nimmt die Partei von neuen Entwicklungen im Mobilitätsbereich kaum etwas zur Kenntnis: Vernetzung, Carsharing, teilautonomes Fahren, Verlagerung auf umweltverträglichere Verkehrsmittel, Fahrrad- und Fußverkehr sind in der Partei keine wahrnehmbaren Themen.

Zum Fahrrad kann Hardliner Spaniel immerhin kreative Kritik beitragen: Im Bundestag führte er in einer vielbelachten Rede aus: „Nüchtern betrachtet sind Fahrräder in hohem Maße unpraktisch und gefährlich.“ Und weiter: „Das Propagieren von Kindertransporten auf Fahrrädern in der Stadt ist objektiv betrachtet fahrlässiger Umgang mit der Gesundheit Schutzbedürftiger.“[50]

Bild entfernt.Fazit

Umweltpolitisch ist die AfD in fast allen Bereichen eine destruktive Kraft. Als einzige deutsche Parlamentspartei bestreitet sie, dass es einen menschengemachten Klimawandel überhaupt gibt.

Auf dieser Grundlage bekämpft sie alle Maßnahmen, die im Pariser Klimaabkommen vereinbart wurden, um eine Erderwärmung um mehr als 1,5 Grad zu verhindern. Die Rechtspartei hat angekündigt, den Kampf gegen den Klimaschutz neben dem Euro und der Zuwanderungspolitik zu ihrem dritten großen Thema zu machen.

Die Partei verteidigt dazu vehement die "heile" alte Welt der fossilen Energien und der Atomkraft. Sie macht sich zum Anwalt von Kohle, Öl und Atomkraft.

Die Förderung von Solarenergie und Windkraft durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz EEG will die Partei genauso verhindern wie die energetische Modernisierung des Wohnungsbestands durch Wärmedämmung und umweltfreundliche Heizungen.

In der Verkehrspolitik will sie sich als Autofahrerpartei und Verteidigerin des Diesels profilieren. Die Umorientierung auf E-Mobilität und die Verlagerung des Verkehrs auf umweltverträglichere Mobilität bekämpft sie als „ideologisch“.

Soweit sie hier umweltpolitische Argumente bemüht – etwa beim Thema Ressourcenverbrauch –, verfolgt sie durchweg das Ziel, Umweltschutz und Klimaschutz gegeneinander auszuspielen. Der marktradikale Flügel und der rechtsradikale sind sich in dieser Frage recht einig. Der Schutz von Fledermäusen und Vögeln wird gegen Windkrafträder in Stellung gebracht.

Naturschutz schreibt sich die Partei als „Heimatschutz“ auf die Fahnen. Sie heftet so auch diesem Politikbereich eine völkisch-nationale Komponente an. Historisch anknüpfen will sie dabei an die frühere Nähe des Naturschutzes in Deutschland an konservative bis völkisch-rechte Kreise. Dass Naturschutz inzwischen von den meisten Menschen als Bestandteil einer ökologischen Modernisierung gesehen wird, will die Rechtspartei wieder ändern.

Naturschutz, Kampf gegen Landschaftsversiegelung oder Artenschutz werden von der AfD fast nur ins Feld geführt, wenn damit der Bau von Windrädern blockiert werden soll. Flächenversiegelung durch Straßen ist nie Thema, genauso wenig wie die geschätzt weit über zehn Millionen getöteten Vögel im Straßenverkehr. (Weniger als ein Prozent der insgesamt durch die menschliche Zivilisation getöteten Vögel fallen nach wissenschaftlichen Schätzungen Windanlagen zum Opfer – das wird dann aber großes AfD-Thema.)

Die Stellungnahmen der AfD zu umweltpolitischen Fragen weisen eine durchgehende Gemeinsamkeit auf: Früher war alles besser, Veränderung bringt nur Probleme, vor denen man Angst haben muss.

Dass Veränderungen auch Chancen bieten, um umweltzerstörende Wirtschafts- und Lebensweisen zu überwinden, klammert dieses Denken vollständig aus.

Die Umweltpolitik der AfD ist fast durchweg eine Inszenierung von Empörung über notwendige Modernisierungen. Dazu werden wissenschaftliche Erkenntnisse und Tatsachen verleugnet und öffentlich in Zweifel gezogen.

Ihr Hauptproblem: Einen Plan für eine ökologische Zukunft hat die AfD nicht einmal in Ansätzen. Wer darüber nachdenkt, wie die Energieversorgung der Zukunft aussehen wird, wie künftig unsere Mobilität umwelt- und menschengerecht organisiert werden kann oder wie wir unser Wirtschaften und Leben so gestalten, dass sie nicht zum drastischen Artensterben führen, der findet bei der AfD: nichts.


[11] https://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/126/1912631.pdf Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Karsten Hilse, Dr. Heiko Wildberg, Marc Bernhard, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der AfD – Drucksache 19/12228 – Anteil der Wissenschaftler, die den Klimawandel für menschengemacht erachten

[16] Über den Verein Eike gibt es einen aufschlussreichen Beitrag in der Online-Enzyklopädie Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Europäisches_Institut_für_Klima_und_Energie (abgerufen am 14.08.2020)

[20] CDU-Vorsitz-Kandidat Friedrich Merz: Seine nuklearen Träume. Als Antwort auf die Klimakrise empfiehlt Friedrich Merz den "Dual-Fluid-Reaktor“. Dessen größte Fans sind die AfD und Klimawandel-Leugner. https://taz.de/CDU-Vorsitz-Kandidat-Friedrich-Merz/!5671180/ (abgerufen am 14.08.2020)

[24] https://afd.berlin/programm/ (abgerufen am 14.08.2020)

[25] Quelle siehe Grafik unter Fußnote 26

[43] siehe auch Kapitel zu Wirtschaft und Soziales